Zahn um Zahn

Parodontitis führt nicht nur zu Zahnverlust, sondern kann auch einem Schlaganfall oder Diabetes mellitus Vorschub leisten

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„Die entzündlichen Prozesse, die mit einer
Parontontitis einhergehen, sind nicht nur auf die
Mundgesundheit beschränkt, sondern können sich etwa als Risikofaktor für Herzinfarkt, Schlaganfall oder Diabetes mellitus entpuppen“, weiß Prof. Dr. Schlagenhauf. Foto: Prof. Schlagenhauf © Dr. Ali Daouk

„Eine Parodontitis ist eine chronische Entzündung im Zahnhalteapparat, welche langfristig zu Zahnlockerungen und zum Zahnausfall führt“, weiß Professor Dr. Ulrich Schlagenhauf, Leiter der Abteilung für Parodontologie der Julius-Maximilians-Universität Würzburg.

Der Zahn der Zeit nagt aber nicht nur an den Zähnen, sondern auch an der Allgemeingesundheit, wenn etwa einer Parodontitis (PA), umgangssprachlich als Prondontose bekannt, nicht rechtzeitig Beachtung geschenkt werde. „Bei einer unbehandelten PA gelangen die entzündungsauslösenden Bakterien auch ins Blut und können möglicherweise zur Entstehung von Arteriosklerose beitragen“, so der ehemalige Präsident der Deutschen Gesellschaft für Parodontologie Professor Schlagenhauf.

Das sehen auch die Zahnärzte Dr. Matthias Eichler und Johannes Vogt so: „Patienten mit einer unbehandelten PA werden beispielsweise fünfmal häufiger als ihre mundgesunden Altersgenossen von einem Schlaganfall getroffen. Auch die Gefahr, einen Herzinfarkt zu erleiden oder rheumatisch zu erkranken, steigt deutlich an. Ebenso besteht ein enger Zusammenhang zwischen einer PA und der Stoffwechselerkrankung Diabetes mellitus!“

Nach aktueller Datenlage, so Professor Schlagenhauf, sei die Hälfte aller Menschen in Deutschland, das wären über 40 Millionen, von einer klinisch sichtbaren PA betroffen. „Rund 12 Millionen leiden sogar an einer schweren PA bei der Zahnlockerungen oder Zahnverluste auftreten können“, betont der Experte für Parodontalerkrankungen Schlagenhauf. Welche Symptome weisen denn auf eine PA hin, wollte Lebenslinie von Dr. Eichler wissen?

Zum einen müsse man zwischen chronischer und aggressiver PA unterscheiden, welche mit unterschiedlichen Symptomen einhergingen: Die chronische PA könne in jedem Lebensalter entstehen, so Dr. Eichler, nehme ihren Anfang aber meist zwischen dem 40. und 50. Lebensjahr. Symptome seien Konkremente (Zahnstein, der sich unterhalb des Zahnfleisches befindet), ein typischer Mundgeruch, gerötetes und angeschwollenes Zahnfleisch und im fortgeschrittenen Krankheitsstadium auch bereits gelockerte Zähne und Eiteraustritt aus den Zahnfleischtaschen.

Die aggressive PA trete häufig schon in jüngeren Jahren auf. Der Beginn könne hierbei schon in der
Pubertät liegen und sei charakterisiert durch einen schnellen Verlust des parodontalen Gewebes. „Meist ist wenig bis gar kein Zahnstein vorhanden, auffällig ist allerdings die familiäre Häufung der Erkrankung“, sagt Dr. Eichler.

Unzureichende Mundhygiene, Rauchen, Dauerstress,
Abwehrschwäche, Mangel- oder Fehlernährung, schlecht eingestellte Diabetes mellitus, übermäßiger Alhoholkonsum – all diese Faktoren können eine
Parodontitis begünstigen, sagen die Zahnärzte Dr. Matthias Eichler und Johannes Vogt. Foto: © Oliver Mack

In der Praxis der Zahnärzte Eichler und Vogt sind der Großteil der Patienten, die an PA leiden, zwischen 55 und 75 Jahren alt. „Fast jeden fünften Patienten müssen wir parodontal therapieren“, konstatiert Johannes Vogt. Nicht mehr Karies, sondern die Folgen einer unbehandelten PA seien heutzutage die Hauptursache für Zahnverlust, so Vogt. PA sei eine der häufigsten chronischen Erkrankungen weltweit!

Ob und wie man dieser Tendenz entgegenwirken kann, das wollte Lebenslinie von Professor Schlagenhauf wissen: „Die Entstehung von Parodontitis wird durch andere chronische Entzündungen im Körper stark begünstigt. Daher haben beispielsweise fast alle Diabetiker auch eine Parodontitis. Neben Rauchen und Stress hat nach aktuellen Erkenntnissen eine entzündungsförderliche Fehlernährung ebenfalls einen großen Einfluss.“ Insbesondere der Anstieg des oxidativen Stresses im Körper nach reichlichem Genuss von Zucker und gesättigten Fettsäuren werde unter Experten als bedeutsamer Risikofaktor diskutiert, um die Weichen dafür zu stellen, vor der Zeit „auf dem Zahnfleisch daherzukommen“.

Der vermehrte Konsum von grünem Blattgemüse und Wurzelgemüse wie Rote Beete dagegen zeigte in ersten Studien einen bedeutsamen entzündungshemmenden Einfluss auf das Entzündungsgeschehen im Mund, so der Professor, der hierzu selbst eine Studie zusammen mit der Universität Hohenheim im „Journal of Clinical Periodontology“ veröffentlicht hat. Demnach könne etwa grünes Blattgemüse, das bislang oft wegen seines Nitratgehalts als problematisch galt, gesundheitsfördernde Eigenschaften haben. Nitrat aus Gemüse oder aus einem handelsüblichen Gemüsesaft könne, so die Studie, den Verlauf chronischer Zahnfleischentzündungen bereits nach nur zwei Wochen spürbar verbessern.¹

Soviel zu Prophylaxe. Was aber, wenn das Kind bereits in den Brunnen gefallen ist, sprich der Patient bereits eine ausgewachsene PA hat? Die Behandlung werde laut der Zahnärzte Eichler und Vogt in verschiede Phasen eingeteilt. Zunächst stehe eine Hygienephase an: Diese bestehe aus ein bis zwei Prophylaxe-Sitzungen mit Unterweisung in häuslicher Mundhygiene und Zahnzwischenraumpflege. Zur Vorbehandlung zähle auch die Beseitigung eventuell vorhandener kariöser Läsionen, so Zahnarzt Johannes Vogt. Unabdingbar sei ebenfalls eine digitale Röntgenaufnahme, um den bereits vorhandenen Knochenverlust und den Schweregrad der Erkrankung einstufen zu können, ergänzt Dr. Eichler.

„Jede Zahnfleischtasche, die tiefer als drei Millimeter ist wird anschließend unter örtlicher Betäubung mittels spezieller Instrumente von den für die Erkrankung ursächlichen Bakterien befreit. Das Hauptaugenmerk liegt hierbei auf den nicht mehr von Knochen bedeckten Wurzeloberflächen. Bei weit fortgeschrittenen, spät diagnostizierten oder sehr aggressiven Krankheitsverläufen ist eine begleitende Antibiotikagabe erforderlich“, betont Johannes Vogt. Nach dieser intensiven „Tiefenreinigung“ gebe man dem Zahnhalteapparat dann drei Monate Zeit, sich zu erholen, um dann in einer erneuten Prophylaxe-Sitzung und einer zweiten Taschentiefenmessung den Erfolg der Therapie einordnen zu können.

Individuell für jeden Patienten werde dann ein Reinigungsintervall festgelegt. Die unterstützende
parodontale Therapie und eine genaue Überwachung der Situation werde den Patienten ein Leben lang begleiten, so Eichler und Vogt. Dennoch machen die beiden Zahnärzte auch Hoffnung: „Arbeiten Patient und Praxisteam zuverlässig und regelmäßig zusammen, kann eine PA heute in fast allen Fällen kontrolliert und gestoppt werden. Zähne können wieder an Festigkeit gewinnen und das allgemeine Wohlbefinden des Patienten steigt wieder deutlich an!

Quelle: ¹Studie: Jockel-Schneider, Y., Goßner, S.K., Petersen, N., Stölzel, P., Hägele, F., Schweiggert, R.M., Haubitz, I., Eigenthaler, M., Carle, R., Schlagenhauf, U. (2016). Stimulation of the nitrate-nitrite-NO-metabolism by repeated lettuce juice consumption decreases gingival inflammation in periodontal recall patients: a randomized, double- blinded, placebo-controlled clinical trial; in: “The Journal of Clinical Periodontology”, doi: 10.1111/jcpe.12542

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