Wissen aus erster Hand

Dr. Dirk Ziegler, Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie, über Verletzungen der Hand

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©Fachklinikum Mainschleife

Annalena L. (56)1 wurde am 5. September 2022 von einem alten, kranken Kater, den sie kurzzeitig zu ihren zwei eigenen Katzen in Pflege hatte, gebissen. „Freddy musste zum Tierarzt und ich hatte meine liebe Not, ihn in die Transportbox zu bekommen. Er wehrte sich mit allen vier Pfoten und biss auch mal kurz zu.“ Aus der scheinbaren „Miniverletzung“ wurde binnen Stunden eine infizierte Wunde, die sogar eiterte. In einer OP noch am gleichen Tag wurde die Hand vom Handteller bis zum Unterarm aufgeschnitten und von Keimen befreit. Nach einer Woche Krankenhaus mit Antibiose und drei Wochen Wundversorgung durch die Hausärztin im Anschluss, war die Wunde zu, der Biss von Freddy aber noch lange nicht vergessen … „Ich habe immer noch Physiotherapie, da die Finger nicht so beweglich sind, wie vorher!“ Für Annalena liegt es jedoch auf der Hand, dass der Vorfall ihrer Liebe zu Katzen keinen Abbruch tun wird. „Bisse, egal ob von Katze, Hund oder einem Menschen, gehören generell zu den gefährlichen Verletzungen an der Hand“, weiß Chefarzt Dr. Ziegler, Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie an der Mainschleifenklinik in Volkach, aus erster Hand. Dies würde an der mannigfachen Besiedelung des Mundraumes mit Bakterien liegen, welche durch die Bissstelle in die tiefen Schichten der Unterhaut gelangen können. „Je nach Bissmuster und Eindringtiefe kann eine nicht-operative Behandlung mittels Desinfektion der Wunde, Spülung und Antibiotikagabe sowie ­Schienenruhigstellung genügen. Im Einzelfall ist jedoch bei einer sich ausbreitenden Infektion eine stationäre Behandlung mit Ausspülung und chirurgischer ,Sanierung‘ der möglicherweise infizierten Weichteilstrukturen im Rahmen eines Eingriffes unter Narkose erforderlich“, so der Handchirurg. In jedem Falle sollte der:die „Gebissene“ nicht zu lange mit einer ärztlichen Beurteilung der verletzten Hand warten. Anatomisch „tummeln“ sich in der Hand 27 Knochen, 36 Gelenke und 39 Muskeln, die dafür sorgen, dass der Hand alles locker von der Hand geht … „Daneben gibt es noch drei Nerven, welche auf der Beugeseite (Nervus medianus und Nervus ulnaris) sowie auf der Streckseite (Nervus radialis) die motorischen Funktionen als auch die Gefühlswahrnehmung der Hand steuern. Die Verletzung eines dieser drei Hauptnerven oder auch der einzelnen Fingernerven führt zu charakteristischen Funktionsausfällen der Hand“, so Dr. Ziegler. Das berge Herausforderungen für die Handchirurgie: „Im Falle einer akuten Nervenverletzung muss möglichst zeitnah rekonstruiert werden. Versorgt wird immer nur die Nervenhülle, der eigentliche Nerv degeneriert im Laufe der folgenden Monate. Neu aussprossende Nerven wachsen mit einer Geschwindigkeit von einem Millimeter am Tag.“ Dies erkläre die lange Regenerationszeit im Fall einer Nervenverletzung. Dass Handchirurg:innen alle Hände voll zu tun haben, liegt daran, dass etwa jede dritte Verletzung, die sich Menschen zuziehen, die Hände betrifft. Positioniert am Ende der Arme mit Distanz zum übrigen Körper „erkennen“ die peripheren Gliedmaßen Gefahren frühzeitig und versuchen diese abzuwehren. Handgreiflich werden die Hände als erstes in Mitleidenschaft gezogen, etwa durch einen Bruch. „Eine der häufigsten Brüche im Bereich des Handgelenkes ist der Speichenbruch, im Volksmund ,Handgelenksbruch‘ genannt“, so der Chefarzt. Hier komme es durch das Abfangen des Sturzes mit den meist ausgestreckten und nach hinten positionierten Hände zu einer teils komplizierten Zertrümmerung der Gelenkfläche in oft verkippter Stellung, der sogenannten „Bajonettfehlstellung“. Ohne eine adäquate medizinische Therapie könnten solche Handgelenksbrüche zu einer dauerhaften Funktionsschädigung der gesamten Hand führen, erklärt Dr. Ziegler weiter. Weitere häufige Verletzungen der Hand seien Schnitt-, Stich-, oder Quetschverletzungen. Hier gelte es neben der reinen Weichteilversorgung auch mögliche Schäden an tiefergelegenen Strukturen wie Nerven, Sehnen oder Gefäßen zu beurteilen, um diese gegebenenfalls mitzuversorgen. „Eine harmlose Schnittverletzung, welche nur oberflächlich erscheint, kann in der Tiefe zu einer Verletzung der Beuge- oder Strecksehnen führen. Unversorgt kann eine solche übersehene Verletzung zu einer dauerhaften Funktionsstörung der Hand führen“, sagt der Notfallmediziner. „Stich- oder Schnittverletzungen an der Hand müssen innerhalb von sechs Stunden versorgt werden. Neben einer sofortigen Desinfektion der Wunde und Überprüfung des ­aktiven ­Tetanusschutzes
ist das Beurteilen der Intaktheit von tieferen Strukturen zwingend erforderlich.“ Sollten Sehnen, Nerven und Gefäße nicht betroffen sein, sei der Hautverschluss durchzuführen. In der Regel genüge im Anschluss eine Weiterbehandlung durch den:die Hausärzt:in mit regelmäßigen Wundkontrollen und Entfernung des Nahtmaterials nach einem Zeitraum von etwa zwei Wochen. Neben Akutverletzungen gibt es noch zahlreiche andere Erkrankungen der Hände, die in das Aufgabengebiet des Handchirurgen fallen, wie zum Beispiel die Verschleißerscheinung Arthrose, einer der Schwerpunkte von Dr. Ziegler in den Facharztzentren der Mainschleifenklinik in Würzburg und Volkach. Hier sind ihm oftmals die Hände gebunden, wenn es um die Erwartungshaltung der Patient:innen geht in Bezug auf eine medikamentöse Therapie der Arthrose im Bereich der Fingergelenke (Bouchard, Heberdenarthose) oder im Bereich des Daumensattelgelenkes (Rhizarthose). Eine Schienenbehandlung sowie eine Schmerzmedikation oder auch mal eine Infiltration könne Arthroseschmerzen zeitweilig eindämmen, jedoch nicht nachhaltig verschwinden lassen, so Dirk Ziegler. Der Ersatz des Daumensattelgelenkes durch ein quasi „Mini-Hüftgelenk“ gebe der Handchirurgie mittlerweile ein Instrumentarium an die Hand, das schon nach einigen Wochen sehr zufriedenstellende Ergebnisse präsentieren könne, wobei nicht alle Patient:innen für diesen Eingriff infrage kämen, differenziert Dr. Ziegler.

Fotos: Dr. Ziegler ©Fachklinikum Mainschleife ©depositphotos.com/@ OLGA_RA,
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