Wie umgehen mit dem „Brustkrebsgen“?

Eine Betroffene und eine Gynäkologin über ihre Erfahrungen, wenn Brustkrebs in der Familie liegt

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Marietta N.¹ lässt sich demnächst die Eierstöcke entfernen und spielt zudem mit dem Gedanken, sich beide Brüste abnehmen zu lassen. „Meine Oma väterlicherseits, meine Tante väterlicherseits, zwei Schwestern meiner Mutter sowie meine große Schwester, alle hatten sie Brustkrebs und zwar im Alter zwischen 40 und 60 Jahren. Meine Oma und meine Schwester sogar schon zweimal, einmal mit 40 und dann noch mal mit 60 ein Rezidiv“, erzählt die 55-jährige Oberfränkin.

„Bei vermehrtem Aufkommen von Brustkrebs in der Familie“, so Frauenärztin Katharina Hueber aus Würzburg/Oberdürrbach, „haben Patientinnen ein Anrecht auf einen Gentest, um zu erfahren, ob auch sie das ‚Brustkrebsgen‘ BRCA1-BRCA2 (BReast CAncer 1 und 2) in sich tragen!“ Auch Marietta nahm vor vier Jahren das Angebot der Gentestung wahr und erfuhr, dass sie das „Brustkrebsgen“ aufweist. „Ich fand das Testergebnis jetzt nicht hochdramatisch, da ich miterlebt habe, wie die Frauen meiner Familie mit der Krankheit umgehen und natürlich auch, weil bisher kein Familienmitglied an Brustkrebs gestorben ist.“

Foto: Katharina Hueber,©Susanna Khoury

Marietta weiß, dass sie erkranken kann, kalkuliert es ein, lässt jedoch nicht ihr Leben von der familiären Disposition bestimmen. Brustkrebs ist die häufigste Krebserkrankung der Frau. „Der genetische Brustkrebs mache jedoch nur fünf Prozent der Brustkrebs-Patientinnen aus. Frauen, die nachgewiesenermaßen das BRCA1-BRCA2-Gen in sich tragen, erkranken jedoch mit 50- bis 80-prozentiger Wahrscheinlichkeit“, betont die Gynäkologin Hueber.

„Ich beschäftige mich nicht pausenlos damit, dass bei uns Brustkrebs in der Familie liegt, gehe aber regelmäßig zu den Vorsorge- untersuchungen“, erzählt Marietta. „Frauen, die familiär vorbelastet sind, bekommen als Prophylaxe engmaschige Kontrollen alle drei bis sechs Monate mit Ultraschall, MRT und Mam- mografie im Wechsel von der Krankenkasse bezahlt, damit eine Auffälligkeit nicht übersehen wird und die Ärzte gegebenenfalls schnell reagieren können“, so die erfahrene Medizinerin Hueber (65). „Für meine ältere Schwester, die sich auch hat testen lassen, war das positive Ergebnis ein Schock“, erinnert sich Marietta. „Sie weigerte sich, zu den engmaschigen Kontrollen zu gehen. Sie wollte sich anfangs auch gar nicht mit der Thematik auseinandersetzen“, erinnert sich Marietta. Sie selbst sei neulich in einer Ausstellung im Uniklinikum Würzburg über Frauen mit Brustkrebs gewesen. Hier sah man Frauen mit und ohne Brüste, mit echten und künstlichen Brüsten, mit oder ohne Aufbau. „Danach dachte ich mir: Ich kann mir alles vorstellen. Auch, dass die Brüste ganz weg sind“, gibt Marietta ihre intimen Gedanken preis.

Katharina Hueber kennt es aus ihrer Praxis, wie unterschiedlich betroffene Frauen mit dem positiven BRCA1-BRCA2-Test umgehen. „Die einen kriegen noch zwei Kinder und lassen sich dann die Eierstöcke und die Brüste entfernen, andere nehmen an der intensiven Früherkennung teil. Im Langzeitverlauf senken beide Methoden gleichermaßen die Sterblichkeit, sodass sie als gleichwertig anzusehen sind“, so Hueber. Brustkrebs allgemein gehe vielfach mit immens großer psychischer Belastung über eine lange Zeit einher. An dieser Schraube solle man immer auch drehen, wenn man an Gesundung denke, so die Ärztin. Sie selbst sei Pragmatikerin. Sie würde sich bei einem positiven Gentest beide Brüste entfernen lassen und auch die Eierstöcke, aber raten würde sie das keiner Patientin, denn die Entscheidung sei eine höchstpersönliche, so die Gynäkologin.

„Ich bin derzeit noch nicht so weit, mich von meinen Brüsten zu trennen“, betont Marietta, „aber ich weiß, es kommt der Tag, da ist der Entschluss in mir gereift und dann lasse ich es machen … bis dahin: Carpe diem!“ Das sieht auch Hueber so: „Die beste Prophylaxe, um generell gesund zu bleiben, ist jeden Tag eine gehörige Portion Lebensfreude!“ Sie persönlich ziehe sich diese aus der Beschäftigung mit ihrem Hund. Aber auch das sei individuell abwandelbar, Hauptsache man gönne sich täglich einen positiven Kick. Der sei nämlich richtig gut fürs Immunsystem!

Quelle:
¹Name von der Redaktion geändert

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