Wie in Abrahams Schoß?

Facharzt für Anästhesiologie Dr. Matthias Schneider über moderne Narkotika

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©Daniel Peter

Die frühesten Substanzen zur Inhalations-Anästhesie waren Lachgas, Diethylether („Äther“) und Chloroform. Sicher, schmerzfrei und ohne Nebenwirkungen war das nicht. Seitdem ist viel passiert, weiß Dr. Matthias Schneider, Chefarzt der Anästhesie am Klinikum Main-Spessart in Lohr am Main. „Wir nutzen heute verschiedene Pharmaka, um das Schmerzempfinden auszuschalten“, erklärt der Facharzt für Anästhesiologie mit Blick auf Lokal- und Regionalanästhesien (Teilnarkosen). Bei Narkosen komme eine Kombination zum Einsatz. Zum einen würde das Schmerzempfinden, zum anderen das Bewusstsein ausgeschaltet. „In allen Fällen wird die Kommunikation der Nervenzellen gestört.“ Bei der Narkose seien die Patient:innen ohne Bewusstsein und spüren gar nichts. Die Kommunikation im zentralen Nervensystem werde für ein definiertes Zeitfenster komplett unterbrochen. „Eine E-Mail kommt herein, der Adressat wird aber nicht mehr gefunden“, vergleicht der Arzt. „Das muss gut geplant sein.“ Die Wahl der Narkotika hänge vom Patienten, möglichen Unverträglichkeiten und von Art, Länge der OP sowie der postoperativen Schmerzphase ab. „Es geht immer darum, das individuelle Risiko zu minimieren.“ In der Regel setzen moderne Narkoseverfahren auf die Kombination von Schlafinduzierenden Medikamenten, starken Schmerzmedikamenten und Muskelentspannenden Präparaten. „Psychische Abhängigkeiten entstehen durch alle diese Präparate nicht, „da sie nur in einem sehr engen Zeitfenster eingesetzt werden. Gibt es einmal körperliche Entzugserscheinungen bei sehr starken Gaben, werden diese im Rahmen intensivmedizinischer Betreuung mitbehandelt“ erklärt der Chefarzt. Anästhesist:innen sowie ein modernes Gerätemonitoring sorgen vor, während und nach einem Eingriff für Sicherheit wie in Abrahams Schoß. Doch trotz modernster Anästhesie- und Überwachungsverfahren während und nach einer Operation können insbesondere bei kognitiv vorbelasteten Patient:innen Verwirrungszustände auftreten. Der Erfassung der Vorschädigung kommt eine große Bedeutung zu. Die üblichen Testmethoden und –verfahren zur Abschätzung des Risikos für perioperative Verwirrtheitszustände sind noch sehr aufwendig und zeitintensiv. Die Entwicklung klinisch einfach einzusetzender Analysetools ist aktuell Gegenstand der Forschung. „Die Narkose trage allerdings nur zu einem geringen Umfang zu einem Delir bei. Entscheidend sind die persönliche Situation des Patienten, bestehende Vorerkrankungen oder die Einnahme einschlägiger Medikamente wie Psychopharmaka.“ Auch die Atmosphäre im Krankenhaus spiele eine Rolle. Die Patient:innen werden aus ihrem gewohnten Umfeld gerissen und haben oft nicht die Zeit sich in der fremden Umgebung zu orientieren. „Wir versuchen daher schon im Vorgespräch ein vertrauensvolles Verhältnis aufzubauen, das Patient:innen darauf vorbereitet, was vor und während der OP passiert, Angst nimmt und Orientierung gibt.“

www.klinikum-msp.de

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