Wer heilt, hat recht?

Die Homöopathie steht auf dem politischen Prüfstand. Doch sie bietet viele Möglichkeiten im medizinischen Werkzeugkasten

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Die Pläne von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach lassen aufhorchen. Wie im Januar bekannt wurde, will er als Teil seiner geplanten Strukturreformen die Finanzierung homöopathischer Behandlungen durch gesetzliche Kassen streichen1. Sein vielzitiertes Argument: „Die Homöopathie ist eine Leistung, die keinen wissenschaftlichen Nutzen auf Grundlage des wissenschaftlichen Sachstandes erbringt.“ Seiner Ansicht nach sollten die gesetzlichen Kassen daher Leistungen, „die nichts bringen, nicht bezahlen“. Die aus diesem jüngsten Schritt resultierenden Einsparungen schätzt der Minister auf 20 bis 50 Millionen Euro. Eine kleine Ersparnis. Ihm gehe es ums Prinzip. Und dieses spaltet. Während unter anderem der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Andreas Gassen, die Ankündigung begrüßt, kommt auch Kritik – zum Beispiel vom Bundesverband Patienten für Homöopathie (BPH)3, der die Anzahl der gesetzlichen Kassen, die Homöopathie derzeit auf freiwilliger Basis erstatten, auf etwa 60 beziffert. Der Verband wirft Lauterbach unter anderem vor, den wissenschaftlichen Sachstand nicht zur Kenntnis zu nehmen. Dazu heißt es in einer Mitteilung: „Tatsache ist, dass es sowohl im Bereich der Grundlagenforschung als auch in der Versorgungsforschung harte Daten und Fakten zur Wirksamkeit homöopathischer Zubereitungen gibt.“ Der Verband verweist auf eine wissenschaftlich fundierte, zusammenfassende Beurteilung4 von sechs Meta-Analysen zur Homöopathie. „Sie kommt zu dem Ergebnis, dass Homöopathie besser wirkt als Placebo.“ Studiendaten würden sogar nahelegen, dass Homöopathie helfen könne Behandlungskosten und Ressourcen im Gesundheitswesen einzusparen. Ärzt:innen würden Homöopathie zum Beispiel nutzen, wenn die konventionelle Medizin keine Lösung biete oder der „medizinische Werkzeugkoffer“ ausgeschöpft sei. Der Deutsche Zentralverein homöopathischer Ärzte hat mittlerweile eine Petition zum Erhalt der Homöopathie gestartet5. Zum Redaktionsschluss gab es fast 57.000 Unterzeichner:innen. Damit ist das Quorum für eine Anhörung erreicht. Für Sylvia Pöhlmann, Inhaberin der seit fast 50 Jahren bestehenden St.-Margareten-Apo­theke in Margetshöchheim ist Homöopathie beruflicher Alltag und persönliche Überzeugung. Die Apothekerin verfügt über eine rund 30-jährige Expertise auf diesem Gebiet. Stetig bildet sie sich weiter und setzt sich seit Langem auch aktiv für die Vermittlung von homöopathischem Wissen ein, zum Beispiel in ihrem monatlichen „Homöopathie-Kreis“, der nach coronabedingter Pause nun wieder aufgenommen werden soll. Gute Gründe für Homöopathie gebe es viele, erklärt sie im Gespräch mit der Lebenslinie und verweist unter anderem auf eine exemplarische Zusammenstellung des Deutschen Netzwerks für Homöopathie. Neben Argumenten hinsichtlich Kosten und Studienlage führt dieses etwa an, dass Homöopathie helfe, Antibiotika zu vermeiden – auch das hätten Studien belegt. Zudem gebe es „keine toxischen Nebenwirkungen“, es schütze außerdem Tierwohl und schone die Umwelt. Last, but not least sei es „individualisierte Medizin auf rationaler Basis“, die den natürlichen Krankheitsverlauf beeinflusse. „Ihr Ziel ist Heilung – ohne dauerhafte Medikamenteneinnahme.“ In der kommenden Ausgabe der Lebenslinie gehen wir mit der Apothekerin Sylvia Pohlmann weiter in medias res und erfahren von Kindern, Senior:innen und Haustieren, die regelmäßig Globuli in verschiedenen Potenzen einnehmen.

 

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