Sie ist so groß wie eine kleine Walnuss, wiegt zwischen 18 und 25 Gramm und liegt von Halsmuskeln umgeben wie ein Schild vor der Luftröhre, knapp unter dem Kehlkopf – die Rede ist von der Schilddrüse.
Ohne dieses winzige Organ, durch das in eineinhalb Stunden das gesamte Blut des Menschen einmal hindurchfließt, würde im Körper alles drunter und drüber gehen.
Klein, aber oho, regelt die schmetterlingsförmige Drüse das Herz-Kreislaufsystem, den Knochenaufbau, die Verdauung und beeinflusst sogar die Psyche durch die Produktion unterschiedlicher Hormone.
Logisch, dass bei einer Funktionsstörung der Schilddrüse Einiges im Körper in Unordnung gerät: „Bei einer Unterfunktion der Schilddrüse sind die Betroffenen meist müde, lustlos, frieren leicht und nehmen an Gewicht zu, während man bei einer Überfunktion eher zum Gegenteil neigt, also quirlig und nervös ist, schlecht schläft und leicht schwitzt“ so der Direktor der Nuklearmedizinischen Klinik und Poliklinik am Würzburger Uniklinikum (UKW), Professor Dr. Andreas Buck, zu den Hauptfunktions-Störungen der Schilddrüse.
Hinzu kommen bei der Überfunktion noch die Tendenz, zu schnellem Puls oder zu Herzrhythmus-Störungen, die im schlimmsten Fall auch zu einem Herzinfarkt oder Schlaganfall führen können.
Vorwiegend Frauen betroffen
Spezifische Risikogruppen für das Auftreten einer Funktionsstörung gebe es nicht, so der Nuklearmediziner. Bevorzugt seien jedoch Frauen betroffen.
Die Diagnose einer Über- oder Unterfunktion ist über das Blut sehr einfach zu stellen, wird jedoch häufig erst spät durchgeführt, da die Symptome einer Funktionsstörung oft allgemeiner Natur sind und auch eine Grundpersönlichkeit widerspiegeln könnten.
Die meist gewählte Therapie bei Überfunktion der Schilddrüse ist die Radiojod-Therapie.
„Angewandt werde diese“, erklärt Professor Buck, bei „heißen Knoten“ (das sind gutartige, knotige
Veränderungen, die eine übermäßige Produktion von Schilddrüsenhormonen verursachen) oder bei deutlicher Vergrößerung der gesamten Schilddrüse, wenn der Patient lokale Beschwerden wie Schluckstörungen oder ein Druckgefühl am Hals verspürt. Auch im Rahmen der Behandlung bösartiger Schilddrüsentumoren spielt die Radiojodtherapie eine entscheidende Rolle.“
Die Erfolgsquote bei über 90 Prozent
Rund 35.000 Radiojod-Behandlungen im Jahr würden allein in Deutschland gemacht – im Würzburger Uniklinikum seien es rund 600 pro Jahr.
„Die Erfolgsquote“, so der Schilddrüsenexperte, „liegt bei über 90 Prozent, bei so gut wie keinen Nebenwirkungen nach der Gabe des Radiojods!“
Da diese Therapie weltweit bereits millionenfach durchgeführt wurde, und bei den beobachteten Kollektiven im Vergleich keine signifikanten Auffälligkeiten von Erbgutveränderungen oder ein gehäuftes Krebsrisiko aufgefallen sei, kann die Therapie als sicher betrachtet werden.
Aber man behandle ja keine Kollektive, sondern Individuen. Dass im Einzelfall zehn oder 20 Jahre später doch ein Tumor als Folgeerkrankung auftrete, könnte man im Einzelfall nie hundertprozentig ausschließen, gibt Professor Buck ehrlich zu.
„Daher müssen wir Ärzte bei der Radiojod-Therapie sicherstellen, dass das Nutzen-Risiko-Verhältnis gewahrt bleibt“. Von allem gehe ein Risiko aus: von der Erkrankung, von der Radiojod-Therapie, ebenso wie von einer OP. Professor Buck spricht jedoch bei der Radiojod-Therapie nur von einem theoretischen Risiko.
Ablauf der Therapie
Wie läuft diese Therapie nun ab?
„Der Patient kommt in die Klinik, wo die Diagnose überprüft wird, dann wird eine Testtherapie mit einer winzigen Menge an Radiojod gemacht, um zu sehen, welche Dosis für den Patienten erforderlich ist.
Daraufhin wird eine Kapsel mit der individuellen Menge an Radiojod geordert und bereits am ersten Tag des Aufenthaltes in der Klinik nüchtern verabreicht. Nach zwei bis drei Tagen ist die Radioaktivität meist soweit abgefallen, dass der Behandelte die Klinik wieder verlassen darf!“
Bleibunker oder Ähnliches gibt es im UKW nicht.
„Die Zimmer auf der Isotopen-Station (wo die Radiojod-Therapie durchgeführt wird) unterscheiden sich für den Laien nicht von herkömmlichen Patientenzimmern“.
Die Sensoren zu Strahlenmessung sind versteckt in der Decke. Da in den ersten Tagen das meiste an Radioaktivität ausgeschieden werde, würde das Abwasser auf dieser Station speziell gesammelt und entsorgt.
„Wir möchten ja nicht, dass Hund und Katz radiojodtherapiert werden, weil die radioaktiven Ausscheidungen ins Grundwasser gelangen“, sagt Buck schmunzelnd.
Ein Besuch sei während der Behandlung nicht erlaubt, allerdings haben die Patienten die Möglichkeit, in den Wintergarten erste Besserung ab, nach drei Monaten sollten „heiße“ Knoten vollständig zerstört oder um bis zu 60 bis 80 Prozent kleiner geworden oder am Nachmittag in den Patientengarten zu gehen.
Da der Aufenthalt meist sehr kurz ist, stelle die fehlende Möglichkeit, Besuch zu empfangen, in der Regel kein Problem dar. Kinder würden selbstverständlich zusammen mit einem Elternteil aufgenommen, wenn das erforderlich ist.
Radiojod nur in krankem Gewebe
Und was ist nun nach der Therapie?
„Die Halbwertszeit des Radiojods, das sich nur im kranken Schilddrüsengewebe ansiedelt und auch von keinen anderen Organen im Körper gespeichert wird, ist mit acht Tagen relativ lang“, so Buck.
Nach spätestens zwei bis drei Wochen zeichne sich meist eine sein. Wenn die Schilddrüse in ihrer Gesamtheit behandelt wurde, sollte diese um bis zur Hälfte geschrumpft sein.
Eine erste Kontrolle sei nach drei Monaten angeraten mit Szintigramm und Blutuntersuchung. „Danach genügt meist eine jährliche Kontrolluntersuchung“, erklärt Chefarzt Dr. Andreas Buck das routinemäßige Prozedere nach dieser Behandlung.
Ob sich ein Patient für eine OP oder eine Radiojod-Therapie entscheide, liege letztendlich auch im Ermessensspielraum der jeweiligen Person.
„Wobei die Opernsängerin in der Regel die Radiojod-Therapie wählen wird und der Atomkraftgegner eher die OP!“, schließt der sympathische Nuklearmediziner seine Ausführungen ab.
Das Interview mit Professor Dr. Andreas Buck, Direktor der Klinik und Poliklinik für Nuklearmedizin am Würzburger Uniklinikum, führte Lebenslinie-Chefredakteurin Susanna Khoury.