Wenn Alltägliches nicht mehr funktioniert

Gedächtnisambulanz: Früherkennung von Demenz

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Ist es noch „normale“ Vergesslichkeit oder schon eine Demenz? Nicht selten klagen Menschen im Alter über Einschränkungen von Gedächtnis und Konzentration. Neben einer Demenz können jedoch etwa auch eine Depression, bestimmte Medikamente oder Überforderung im Beruf die Gedächtnisfähigkeit verschlechtern. Wo liegen also die Ursachen? Bei dieser Frage setzt die Gedächtnisambulanz des Universitätsklinikums Würzburg an. Wer erste kognitive Störungen an sich selbst oder bei Angehörigen beobachtet, kann einen Termin vereinbaren. in der Gedächtnissprechstunde werden dann Ursachen diagnostiziert, um Patient:innen geeignet zu behandeln und auch Angehörige zu beraten. Spezialisiert ist die Gedächtnisambulanz laut deren Leiter Dr. Martin Lauer, Facharzt für Psychiatrie, Psychotherapie und Neurologie, auf die Früherkennung demenzieller Erkrankungen. „Schönreden ist im Demenzbereich absolut schlecht“, betont der 58-Jährige, denn gerade im Anfangsstadium der Krankheit können Therapien wirkungsvoll ­helfen. Von Warnsignalen spricht er, wenn Alltägliches wie der Einkauf oder das Kaffee kochen sowie „Dinge, die man mal konnte“ nicht mehr funktionieren. Dass eine selbstständige Lebensführung nicht mehr möglich ist, fällt häufig allerdings auch dadurch nicht auf, dass Ehepartner:innen Defizite auffangen. Aktuell sollte man auch deshalb frühzeitig einen Termin in der Gedächtnisambulanz vereinbaren, weil diese während des ersten Lockdowns geschlossen bleiben musste. Die Wartezeit liegt derzeit bei bis zu sechs Monaten.

Dr. Lauer ©Michaela Schneider

Im Vorfeld der Sprechstunde lassen Patient:innen bereits mittels Kernspintomografie ein Bild des Gehirns anfertigen. „Es hilft uns bei der Diagnostik, im fortgeschrittenen Stadium sieht man deutliche Veränderungen im Gehirn“, sagt Lauer. Das Anamnese-Gespräch beim rund dreistündigen Termin in der Gedächtnisambulanz mit Patient:in und Angehörigen führt immer ein:e Ärzt:in, darin gehe es um Vorerkrankungen, Lebensstil, Biografie wie auch psychische Erkrankungen. Anschließend macht ein:e Psycholog:in neuropsychologische Tests, um die geistige Leistungsfähigkeit des:der Patient:in zu untersuchen. Die Ergebnisse werden mit dem:der Fachärzt:in besprochen und lassen oft schon Rückschlüsse zu, ob es sich um eine Depression mit kognitiver Störung, um Alzheimer oder um eine andere Demenzerkrankung wie zum Beispiel vaskuläre Demenz oder Frontotemporale Demenz handelt. Je nach Ergebnis wird eventuell eine weitere Diagnostik wie eine Nervenwasserbestimmung oder eine Hirn-PET-Untersuchung auf den Weg gebracht.

Die Therapie hängt dann vom Demenz-Typ ab, vor allem Alzheimer lässt sich in leichten und mittelschweren Krankheitsstadien gut medikamentös behandeln. Alle Patient:innen erhalten psychotherapeutische Unterstützung. Und einen wichtigen Part nimmt die sozialpädagogische Beratung ein, etwa mit Blick auf Angehörigen-Pflegekurse, Pflegegeld, Tagespflegeangebote oder die Einbindung einer Sozialstation. Eng arbeitet die Gedächtnisambulanz dabei mit Halma zusammen, einem örtlichen Verein, der mit Partner:innen Hilfen für alte Menschen im Alltag organisiert. Wer sein zukünftiges Demenz-Risiko deutlich senken will, sollte laut Dr. Lauer lebenslang folgende Empfehlungen befolgen: Tägliche Bewegung oder dreimal pro Woche 30 Minuten Sport, Burnout und Depression behandeln lassen, auf Rauchen verzichten, nur moderat Alkohol konsumieren, Schädel-Hirn-Trauma und Hörverlust vermeiden, Blutdruck und Blutzucker kontrollieren, Übergewicht vermeiden, sich gesund ernähren, erholsam schlafen und vor allem Schlaf-Apnoe behandeln, Bildung, Musik und Kultur: lebenslang „lernen, lesen, lachen“ sowie sozial aktiv sein. Das Risiko, an einer Demenz zu erkranken, ist zwar bis zum 65. Lebensjahr gering. Die Grundlagen fürs höhere Demenzrisiko werden allerdings bereits spätestens ab dem 35. Lebensjahr gelegt.

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