„Es ist kein Demenztest“, flüstere ich vor mich hin. Dennoch blicke ich mit „Respekt“ auf die vor mir aufgebauten Stationen. Sie führen durch einen ganz gewöhnlichen Tag und sind überschrieben mit „In der Stadt“, „Bürotätigkeit“, „Freizeit“, „Abendessen“ oder auch „Anziehen“. Daneben liegen Broschüren mit kleinen Aufgaben, die im Rahmen des Parcours mit dem „Demenzsimulator“ bewältigt werden sollen. Es ist bewusst so konzipiert, dass der „Erfolg“ auf sich warten lässt oder nicht eintritt. Es geht um das Erfahren der eigenen Grenzen, das Empfinden von Unbehagen und letztlich darum, eigenes Unvermögen hautnah zu erleben. All das tritt ein, als ich mich an einzelnen der insgesamt 13 Punkte versuche. Ich habe Mühe, mich anzuziehen, hadere mit dem Besteck und mit Zahlen sowieso. „Warum klappt das nicht?“, schießt es mir durch den Kopf. „Das kannst du doch!“ Ungeduld, Frust, Anstrengung, Hilflosigkeit, Überforderung – all diese Emotionen kommen hoch. Gefühle, die Menschen mit Demenz jeden Tag erleben. Das wird auch mir klar. Und noch mehr: Es kann gerade in schwierigen Situationen hilfreich, wenn nicht sogar entlastend sein, Menschen mit Demenz mit mehr Empathie zu begegnen. Der „Demenzsimulator“, der Ende September in den Räumlichkeiten des Würzburger Vereins Halma e.V. – Hilfen für alte Menschen im Alltag aufgebaut war, hat sein Ziel erreicht. Der Perspektivenwechsel hat stattgefunden. In der hier ansässigen Fachstelle Demenz und Pflege Unterfranken werden solche Situationen oft geschildert. Denn täglich wird zum Thema Demenz beraten. Teil des fünfköpfigen Teams ist Diplom-Sozialpädagogin Kathrin Wüst. Sie steht mir auch während des Selbstversuchs zur Seite. „Mithilfe des ‚Demenzsimulators‘ sollen Menschen ein Gespür dafür bekommen, wie es jemandem geht, der tagtäglich mit diesen Herausforderungen konfrontiert ist. Frust und Scheitern sind erwünscht.“ Das ist doch einfach. Das ist doch logisch: Das gelte für Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen eben nicht. Selbst scheinbar banale Dinge würden sie vor Hürden stellen. Etwa, wenn es darum ginge, was zuerst angezogen würde – Unterwäsche oder Kleidung. „Wir machen diese Dinge aus dem Effeff. Für Demenzkranke ist das superanstrengend.“ Viele Menschen seien überrascht, wenn sie den Simulator das erste Mal ausprobiert hätten, erzählt sie. Gleichzeitig würden die Sinne dafür geschärft, geduldiger zu werden oder Aufgabenstellungen gegenüber den Patient:innen künftig zu konkretisieren. Der „Demenzsimulator“ ist während des gesamten Jahres von den bayerischen Fachstellen ausleihbar. So findet er den Weg in Schulen, Vereine und diverse Einrichtungen. Das ist auch gut so. Denn Aufklärung tut not. Laut der Fachstelle seien derzeit rund 240.000 Menschen im Freistaat von Demenz betroffen. Drei Viertel von ihnen würden zu Hause betreut und versorgt. Die Prognose der Experten: „Bis zum Jahr 2030 wird ihre Zahl auf über 300.000 steigen.“
Hart an der Frustrationsgrenze
„Demenzsimulator“ sensibilisiert für Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen
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