Was wirklich an die Nieren geht

Im Gespräch mit dem Leiter des Europäischen Nierenverbandes Professor Christoph Wanner über Nierengesundheit

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„Für das Schöne ist das Herz zuständig, für den Rest – die Niere“, so der deutsch-österreichische Schriftsteller Klaus Ender. Selbst wenn es um gebrochene Herzen geht (Broken-Heart-Syndrom, Lebenslinie April 2019), reichen die Nieren nie an den Nimbus heran, der das Herz umgibt. Ungerechterweise … Denn die Nieren sind für Blutreinigung und Wasserausscheidung zuständig, sie wirken bei der Steuerung des Blutdrucks und der Regulierung des Knochenstoffwechsels mit. Zudem produzieren sie verschiedene Hormone, die für die Blutbildung nötig sind. Deshalb haben Einschränkungen der Nierenfunktion wie etwa bei einer chronischen Niereninsuffizienz (NI) Folgen für den ganzen Organismus. Jedes Jahr werden in Deutschland rund 10.000 Patienten aufgrund einer fortgeschrittenen Nierenschwäche neu dialysepflichtig. Laut dem Bundesverband Niere e.V. leiden rund zwei Millionen Menschen in Deutschland an einer Nierenkrankheit mit einer bereits deutlich eingeschränkten Nierenfunktion von unter 60 Milliliter Filterleistung pro Minute¹.

Was das konkret bedeutet, weiß der Leiter der Nephrologie am Uniklinikum Würzburg (UKW), Professor Christoph Wanner: Der Fachausdruck glomeruläre Filtrationsleistung (GFR) beschreibe die von den Nieren pro Minute filtrierte Plasmamenge. „Besteht eine Einschränkung der Nierenleistung, angezeigt durch die GFR, von mehr als 40 Prozent über einen Zeitraum von mehr als drei Monaten, deutet das auf chronische Niereninsuffizienz hin“, so der Nephrologe. Täglich entstehen im Körper Stoffwechselprodukte, die mit dem Blut zu den Nieren transportiert und dann mit dem Urin ausgeschieden werden. Da die Nieren, gemessen an ihrem Gewicht, die bestdurchbluteten Organe des Körpers sind, schaffen sie es bei intakter Funktion, schnell ein großes Blutvolumen von den sogenannten harnpflichtigen Stoffwechsel-Endprodukten zu befreien. Eine chronische NI macht jedoch die ausreichende Filtration und Reinigung des Blutes unmöglich. Ein Rückgang der Nierenleistung gehe, so der Leiter des Europäischen Nierenverbandes mit Sitz in London, somit immer mit der verminderten Ausscheidung von Giftstoffen einher: „Verbleiben die auszuscheidenden Toxine über einen langen Zeitraum im Körper, können sie Gefäßveränderungen hervorrufen. Man spricht dann auch von einem beschleunigten Alterungsprozess.“

Darüber hinaus könne sich Blutarmut und ein Vitamin-D-Mangel einstellen. Risikofaktoren für chronische NI seien oft Bluthochdruck und die Zuckerkrankheit Diabetes mellitus Typ 2. Laut dem Facharzt für Innere Medizin und Nephrologie könne das Fortschreiten einer chronischen NI sowohl medikamentös als auch durch gesunde Lebensweise verhindert und verzögert werden. Um seine Nierengesundheit zu erhalten, sollte man sich selbst stetig auf Herz und Nieren prüfen … Der ehemalige Leiter des Europäischen Dialyseregisters Wanner rät: „Nicht rauchen, normal Salz essen – sechs bis acht Gramm Natriumchlorid am Tag – 150 Minuten Bewegung pro Woche oder 30 Minuten an den meisten Tagen der Woche, die Gewichtszunahme begrenzen, Blutdruck unter 140/80 mmHg und bei Nierenschädigung tiefer!“ Bleibt die Nierenerkrankung unbehandelt oder unberücksichtigt, könne es zur Dialysepflichtigkeit führen und schlussendlich zu der einzigen noch zur Verfügung stehenden Option, der Organtransplantation.

Quelle:
¹Zum Vergleich: Die Filtrationsrate bei Nierengesunden liegt zwischen 95 und 110 Milliliter pro Minute.

Das Interview mit dem Leiter der Nephrologie der Medizinischen Klinik und Poliklinik I des Uniklinikums Würzburg, Professor Christoph Wanner, führte Lebenslinie-Chefredakteurin Susanna Khoury.

www.ukw.de

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