Von Zuckerpillen und weisen Worten

Prof. Dr. Malte Meesmann über Placebo- und Noceboeffekte oder die Macht der Worte in der Medizin

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Prof. Dr. Malte Meesmann plädiert für Offenheit im Arzt-Patienten-Dialog. Foto: Juliusspital Würzburg

„Als dem US-amerikanischen Arzt Henry Beecher während des Zweiten Weltkrieges die Schmerzmittel ausgingen, spritzte er den verwundeten Soldaten Kochsalzlösung statt Morphium. Ohne, dass die Lösung eine tatsächliche Wirkung gehabt hätte, fühlten seine Patienten eine Schmerzlinderung. Ein frühes Beispiel für die Wirkung von Placebos“, erzählt Prof. Dr. Malte Meesmann im Gespräch mit der „Lebenslinie“.

Er ist Chefarzt des Schwerpunkts Kardiologie und Internistische Intensivmedizin am Würzburger Juliusspital und beschäftigt sich seit Jahren mit Effekten, die jenseits von Medikamenten und operativen Eingriffen auf den Heilungsprozess einwirken. „Das können Scheinmedikamente oder sogenannte Zuckerpillen sein, aber es geht auch um die Wirkung von Worten“, weiß Prof. Meesmann.

Die Krankheitswahrnehmung sei abhängig von der inneren Erwartung des Patienten und ein Arzt könne diese günstig oder auch ungünstig beeinflussen. „Wenn zum Beispiel ein Arzt mit besorgtem Blick auf das Röntgenbild sagt, das sieht aber gar nicht gut aus‘, ist der Patient alarmiert. Selbst wenn der Befund gar nicht so schwerwiegend ist, kann diese unbedachte Aussage den Therapieverlauf beeinträchtigen.“

Nicht viel anders beim sogenannten Nocebo-Effekt, bei dem der Patient eine negative Wirkung des Medikaments erwartet: „Denken Sie an die Nebenwirkungen, die in jedem Beipackzettel eines Medikamentes aufgelistet sind. Es ist wichtig, dass der Arzt hier aufklärt, wie wahrscheinlich respektive unwahrscheinlich es ist, dass den Patienten eine dieser Nebenwirkungen trifft.“

Auch bei seinen Assistenzärzten schärft der Herzspezialist stets das Bewusstsein für die Macht der Worte: „Die Gesprächsführung ist zwar Bestandteil in der Ausbildung von Ärzten, aber viel zu oft wird das Zusammenspiel zwischen Körper und Psyche eines Patienten heruntergespielt oder ganz ignoriert.
Dabei unterstützt ein ganzheitlicher Blick auf den Menschen jede Therapie.“

In seinen Vorträgen zum Thema Placebo und Nocebo ermutigt der 62-Jährige Patienten, bei einem Arzt nachzuhaken, wenn eine Aussage sie verunsichert oder ihnen Angst macht. „Es ist wichtig, dem Arzt eine Rückmeldung zu geben, damit er seine Formulierung noch einmal korrigieren kann. Patienten sollten sich und ihr Bauchgefühl ernst nehmen, dann tut es auch der behandelnde Arzt.“

Zudem dürfe man nicht vergessen, dass Ärzte auch Menschen und damit verletzlich, manchmal ängstlich oder blockiert seien.

„Um Problemen in der Arzt-Patient-Beziehung entgegenzuwirken, sind sogenannte Balint-Gruppen hilfreich: Ärzte können hier in kleiner Runde und unter Anleitung eines erfahrenen Psychotherapeuten den Umgang mit ihren Patienten reflektieren und mögliches eigenes Abwehrverhalten identifizieren.“

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