Früher stellte der Apotheker alle Arzneimittel noch selbst her. Er drehte Pillen, rührte Salben und füllte abgeteilte Pulver ab. Im Zuge der Industrialisierung änderte sich sein Arbeitsfeld und der Pharmazeut wurde zum Dienstleister. Sein Kerngeschäft war nun die Abgabe und Beratung.
Pillendrehen und Salbenrühren überließ er vorwiegend Pharmaunternehmen, von denen er die Fertigarzneimittel dann bezog. Das ist bis heute so. Nur noch einen geringen Prozentsatz an Arzneimitteln stellen Apotheker im 21. Jahrhundert selbst her. Dabei ist es genau das pharmazeutische Wissen gepaart mit Handwerk, das die Apotheken vor Ort gegenüber der Online Konkurrenz auszeichnet.
„Zum Dienst am Menschen gehört die individuell hergestellte Rezeptur, auch wenn es aufwendig und kaufmännisch nicht immer rentabel ist“, sagt Apotheker Dr. Helmut Strohmeier von der Theater Apotheke in Würzburg. Bei ihm gingen täglich mindestens ein bis zwei, an manchen Tagen auch zehn selbsterstellte Arzneien über den Ladentisch. Insgesamt machten solche Rezepturen immerhin mehr als fünf Prozent seiner verkauften Arzneien im Monat aus. „Die Rezepturen gehen von Akne- oder Hämorrhoiden-Salben über Kinderherzmedikamente und Methadon-Substitutions-Präparate bis hin zu Augentropfen für eine ältere Dame, die Phosphorbombensplitter aus dem Zweiten Weltkrieg im Auge hat. Nach der Kriegsopferversorgung werden ihr diese speziellen Tropfen immer noch, die es nicht als Fertigarzneimittel zu beziehen gibt!“
Einzig Pillendrehen stehe nicht mehr auf dem Programm der Apotheke im Jahr 2020. Wenn dann seien es Kapseln, die gefüllt werden, um individuell dosieren zu können. Beim Pillenbrett von früher, das es als Anschauungsobjekt in der Theater-Apotheke noch gibt, habe man nicht hundertprozentig gewährleisten können, dass alle Pillen gleich groß sind und somit haargenau die gleiche Wirkstoffdosis beinhalten, so Strohmeier.
Apropos Ungenauigkeit. Eine toxische Verunreinigung eines Glukosetoleranztestes 2019 in einer Kölner Apotheke, die den Tod einer schwangeren 28 Jährigen zur Folge hatte, ist die ganz große tragische Ausnahme in deutschen Apotheken. Wie die Verunreinigung passieren konnte, ist bis heute ungeklärt. Denn damit bei Einzelrezepturen keine Fehler passieren, gibt es heute zahlreiche Instrumente der Qualitätssicherung: angefangen bei Hygienemaßnahmen (dem Arbeiten mit Mundschutz, Handschuhen und Brille) über das Prüfen der Ausgangssubstanzen (unter anderem mit Refraktometer, um etwa den Brechungsindex zu bestimmen) oder auch chromatographischen Analysen über die Plausibilitätsprüfung auf dem Arztrezept (Kontrolle von Art, Menge und Kompatibilität der Ausgangsstoffe) bis hin zum Vier-Augen-Prinzip (Prüfung der hergestellten Rezeptur
durch einen weiteren Mitarbeiter der Apotheke).
Es werde über jede Herstellung auch ein genaues Protokoll erstellt. „Um beispielsweise Verwechslungen von geprüften Ausgangsstoffen auszuschließen, verwenden wir keine Standgefäße mehr wie früher üblich, sondern belassen alle Substanzen in ihren Original-Verpackungen mit Original- Deklarationen“, sagt Dr. Helmut Strohmeier. So geht Apotheker-Handwerk im 21. Jahrhundert!