Vom Einfrieren und Auftauen

Internist Prof. Roland Jahns über eine Bibliothek menschlicher Bioproben

0

©Daniel Peter

„Safe my samples“ („Sichere meine Proben“) – dieser Herausforderung kommt die interdisziplinäre Biomaterial- und Datenbank Würzburg (ibdw) des Uniklinikums (UKW) und der Universität Würzburg nunmehr seit zehn Jahren nach. Hier werden bei Minus 80 und Minus 180 Grad rund 900.000 Flüssigproben und rund 5.000 Gewebeproben eingefroren und sicher aufbewahrt, bis diese für Forschungszwecke gebraucht und aufgetaut werden. Bei den Gewebeproben handelt es sich in der Regel um Biomaterial, das bei einer Operation entnommen wurde zur Untersuchung im Labor. Unter den Flüssigproben finden sich Hirn- (für die Neurologie), Bauch- (für die Gastroenterologie) und Lungenwasser (für die Pneumologie) sowie Speichel (etwa von Corona-Patient:innen), Blut und Urin. Das hier eingelagerte Biomaterial sind „Broad Consent“– Proben, die auf einer „breiten Zustimmung“ zur Daten- und Probenverarbeitung zu Forschungszwecken fußt. Die „breiten“ Einwilligungserklärungen hierfür seien von Ethikkommissionen in Zusammenarbeit mit Datenschutzbeauftragten erstellt worden, so das Vorstandsmitglied des Arbeitskreises Medizinischer Ethikkommissionen der Bundesrepublik Deutschland, Roland Jahns. „5.000 Proben sind kürzlich vom Deutschen Zentrum für Herzinsuffizienz (DZHI) einzig für eine klinische Studie abgerufen worden“, so der ibdw-Direktor. Das Helmholtz-Institut für Infektionsforschung in Braunschweig rief gleich zu Beginn der Corona-Pandemie Patient:innen-Seren von Grippekranken aus den Jahren 2016, 2017 und 2018 ab. Man wisse nie, wann welches Biomaterial zu welchem Zweck benötigt wird, so Jahns. „Das macht die Entscheidung, was bewahrt man auf, was kann weg, so schwierig. Grippeerkrankungen aus dem Jahr 2016 … es gibt kaum etwas ‚Langweiligeres‘. Und plötzlich waren sie für die beginnende Corona-Forschung vor drei Jahren hochspannend“, berichtet der Internist. Neben Studien zu Corona (15 Prozent aller Proben der deutschlandweiten Corona-Forschung kommen aus Würzburg) und Herzinsuffizienz, liefert die ibdw Biomaterial an Wissenschaftler:innen, die etwa zu Schlaganfall, Parkinson und Krebs forschen. 70 Prozent der Samples gehen an regionale Partner:innen, 30 Prozent sind nationale oder internationale Anfragen. 

„Mit den Biobanken der Charité in Berlin und der Medizinischen Hochschule Hannover gehört Würzburg zur Speerspitze der deutschen Biobanken“, betont der Direktor der ibdw. Vor zehn Jahren gab es fünf vom Bundesforschungsministerium geförderte zentralisierte nationale Biobanken in Deutschland, die sich schon frühzeitig zertifiziert haben. Heute sind es fast schon 20. „Das Time Magazin listete bereits 2009 zehn Dinge auf, die die Welt verändern werden“, so Professor Jahns in seiner Rede beim ibdw-Jubiläum am 23. Juni im UKW. Biobanken gehörten dazu! Die immensen Fortschritte gerade bei personalisierten Krebstherapien wären ohne diese Bibliotheken menschlichen Biomaterials nicht möglich gewesen. Das ist auch der Grund, warum bei der ibdw „angebaut“ wird. Das Nationale Centrum für Tumorerkrankungen (Verbund aus Deutschem Krebsforschungszentrum und Partner:innen der Universitätsmedizin) hat einen neuen Standorte-Verbund unter Führung von Würzburg dazubekommen. Die Würzburger Biobank, deren Kapazitäten momentan fast erschöpft sind mit rund 900.000 von 1,1 Millionen belegten Plätzen, baut im Herbst an, um die Speicherplätze für ihre Bioproben zu verdoppeln. 

Share.