Antisemitismus – Ausgrenzung – Aufarbeitung

Der Würzburger Dr. Josef Schuster, selbst Internist, schaut als Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland auf die Rolle der Ärzt:innenschaft während des Nationalsozialismus

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©Marco Limberg

Die Rolle der Ärzt:innen im Nationalsozialismus war keine rühmliche. Sie schwiegen nicht nur und sahen weg, sondern wirkten aktiv mit an der systematischen Ermordung. Die Ärzt:innenschaft habe mit der Aufarbeitung dieser Vergangenheit erst begonnen, sagt der Mediziner und Präsident des Zentralrats der Juden, Dr. Josef Schuster, Jahrgang 1954. Das Thema beschäftigt ihn vor allem auch deshalb, weil er bis 2020 selbst eine Internistische Praxis in der Würzburger Innenstadt hatte, 32 Jahre lang unter eigenem Namen. Die ersten sechs Jahre an der Spitze des Zentralrats der Juden praktizierte er noch an durchschnittlich vier Tagen pro Woche. Doch wo steht seine Berufszunft in Sachen Geschichtsaufarbeitung?  Beim 92. Deutschen Ärztetag 1989 in Berlin hielt Medizinhistoriker Professor Dr. Richard Toellner ein viel beachtetes Referat über „Ärzte im Dritten Reich“. 1996, beim 99. Deutschen Ärztetag, ging es um die Verstrickungen der Ärzt:innenschaft in nationalsozialistische Verbrechen. Weitere Initiativen wie die so genannte „Nürnberger Erklärung“ oder auch eine Ausstellung folgten. Der Aufarbeitungsprozess sei aber längst nicht abgeschlossen, sagt Schuster, und betont: „Selbst nach einer umfassenden Aufarbeitung bleibt es wichtig, immer wieder auf das Thema hinzuweisen, es muss immer wieder auf die Tagesordnung.“ Es gehe längst nicht nur um Antisemitismus, sondern auch um Fremdenfeindlichkeit, die Ausgrenzung von Minderheiten und Rassismus. „Das sind Themen, die uns alle angehen.“ Tatsächlich zeigen Umfragen, dass ein nicht unerheblicher Anteil unter Ärzt:innen mit der AfD sympathisiert, der Ärztenachrichtendienst kam 2017 auf 15 Prozent. Das könne er sich genauso wenig erklären wie die Tatsache, dass 15 Prozent der Gesamtbevölkerung im Moment die AfD wählen würden, sagt Schuster. Es zeige einfach, dass die Ärzt:innenschaft einen Querschnitt der Bevölkerung darstelle. Gleichzeitig irritiere es ihn in einem Berufsstand von Mediziner:innen, bei dem man ein gewisses Ethos und eine intellektuelle Begabung voraussetzt. „Ärzte tragen mit ihrer Rolle in der Gesellschaft eigentlich eine besondere Verantwortung, die in meinen Augen mit einem Engagement für oder in der AfD nicht vereinbar ist“, so Schuster wörtlich. Auch andere Themen liegen dem Unterfranken am Herzen, seit 2020 engagiert er sich als Mitglied im deutschen Ethikrat. Sehr aktuell geht es hier um Sterbehilfe, sprich assistierten Suizid. Medizinethische Fragen stellen sich auch mit Blick auf die Präimplantationsdiagnostik. Auch „Gesundheit und Datenschutz“ beschäftigen Dr. Josef Schuster: „Forschung kann sich durch einige datenschutzrechtliche Fragen nicht in vollem Maß entfalten. Datenschutz ist schön und gut, aber alles mit Maß und Ziel.“  Zur Medizin kam der Unterfranke ein Stück weit durch Zufall. Als er am Röntgengymnasium Abitur machte, war dieses Versuchsschule für die sogenannte Kollegstufe. Dass er dadurch Fremdsprachen abwählen konnte, kam ihm gelegen – und seiner Abiturnote sehr zugute. Josef Schuster erzählt: „Dadurch hatte ich die Möglichkeit, mich um einen Medizinstudienplatz zu bewerben. Gleichzeitig machte ich ein Pflegepraktikum und sagte: Nur wenn mir dieses Spaß macht, studiere ich Medizin. Ansonsten mache ich Jura.“ Es wurde Medizin, die Berufswahl habe er nie bereut. Zwei Nächte pro Monat übernimmt er bis heute in Stadt und Landkreis Würzburg die Notarzt-Bereitschaft. „Die Notfallmedizin ist für mich immer ein bisschen medizinisches Hobby gewesen“, sagt der Arzt. Schon während des Studiums fuhr er Rettungsdienste beim Bayerischen Roten Kreuz und rückte dann später direkt in den Notarztdienst.

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