Inspiriert vom isländischen Kabeljau

Bionik: was die Medizintechnik sich aus der Natur abschaut

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Dr. Hazem Al-Shobash, Chirurg in Höchberg bei Würzburg, konnte an zahlreichen Orten dieser Welt ärztliche Erfahrung sammeln: In Würzburg, Berlin, Bielefeld, Bristol, Philadelphia und Boston. Er lernte viele verschiedene Operationstechniken kennen. Und er kam mit ganz unterschiedlichen Geräten im Operationssaal in Kontakt. Dabei fiel ihm eines auf: Nicht wenige medizinische Techniken und nicht wenige medizinische Geräte sind von der Natur abgeschaut. „Bionik“ nennt sich dies im Fachjargon. Der Begriff ist eine Zusammenschmelzung der Begriffe „Biologie“ und „Technik“. Zum biologischen Vorbild können Pflanzen, Tiere, der Mensch, aber auch Proteine oder Aminosäuren werden. „Es gibt zum Beispiel bionische Prothesen als Handersatz“, sagt Dr. Al-Shobash, der 2014 an der Universität Würzburg zum Thema „Myokardinfarkt“ promovierte. Solche Prothesen werden zum Beispiel seit vielen Jahren von Dr. Stefan Schulz aus Karlsruhe entwickelt. In diesem Fall ist das Naturvorbild der Mensch selbst. Beziehungsweise: die menschliche Hand. Die von Schulz entwickelte Prothese hat Finger, die sich seitlich elastisch bewegen lassen. 2017 stellte der Experte für Bionik und Medizintechnik seine Entwicklung beim dritten Bionik-Kongress in Mannheim vor. „Von der Natur inspiriert ist auch Fischhautersatz, der bei Verbrennungen oder Wunden zum Einsatz kommen kann“, erläutert Al-Shobash. Dazu muss man wissen, dass es chirurgisch eine große Herausforderung darstellt, chronische Wunden zum Abheilen zu bringen. Das betrifft vor allem Diabetiker. Weil hier oftmals Nervenstörungen auftreten, die die Heilung bremsen. Hier könne eine Wundauflage mit präparierter Haut vom isländischen Kabeljau helfen, so Dr. Al-Shobash. Die Matrix aus Fischhaut werde dafür von einer isländischen Firma in Speziallaboren hergestellt. Bionisch interessant ist auch der mexikanische Schwanzlurch Axolotl, sagt Hazem Al-Shobash: „Und zwar aufgrund seiner besonderen regenerativen Fähigkeiten.“ Axolotl sind in der Lage, amputierte Gliedmaßen, Organe und sogar Teile des Hirns vollständig zu regenerieren. Bei den Regeneraten handele es sich strukturell und funktionell um vollständig intakte Organe. Dem Chirurgen zufolge dient der Axolotl in der Forschung als Modellorganismus zur Regeneration von Defektwunden nach Trauma oder Krebs. Mit Bionik befasst sich in Würzburg auch Medizintechniker Rolf Siegel – und das seit vielen Jahren. „Ich befasse mich mit den chemisch-physikalischen Eigenschaften von Oberflächen“, informiert der Erfinder. „bionic surfaces“ nennt sich sein Unternehmen. Es ist spezialisiert auf die Modifizierung von Kunststoffoberflächen. Bereits vor 20 Jahren gewann Siegel zusammen mit Mitarbeiter:innen der Chirurgischen Klinik am Uniklinikum Würzburg einen Preis für eine neuartige Kunststoffprothese. Während der Corona-Krise machte er mit Ideen für eine antivirale Schutzkleidung auf sich aufmerksam. Dabei verwendete er die Aminosäure Arginin. Konkret wurden Vliesstoffe, wie sie für Masken verwendet werden, mit der basischen Aminosäure Arginin beschichtet. Dadurch reduzierte sich die Infektiosität von SARS-CoV-2 um mehr als fünf Größenordnungen. Dies stellten Mitarbeiter des Instituts für Virologie der Uni Würzburg bei Untersuchungen fest.

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