Völlig aufgelöst?!

Nierensteine: Dr. Frank Schiefelbein über den Stein des Anstoßes, Prophylaxe und Therapie

0

Dr. Frank Schiefelbein, Chefarzt der Urologischen Abteilung im Missio, ist zudem seit 28 Jahren als Notarzt und ehrenamtliches Mitglied in der Regionalvorstandschaft der Johanniter Würzburg tätig. Foto: ©Klinikum Würzburg Mitte

Statistisch erleiden rund ein Viertel der Deutschen einmal im Leben eine Kolik, die durch Nieren- oder Harnleitersteine hervorgerufen wird. Wenn sich ein Stein auf Wanderschaft von der Niere in den Harnleitertrakt begibt, dagegen sei eine Geburt ein harmloser Spaziergang, heißt es in Fachkreisen.

„Das kann so sein“, meint Dr. Frank Schiefelbein, Chefarzt der Urologischen Abteilung im Missio (Klinikum Würzburg Mitte): „Oft kann nur ein Notarzt in der Akutphase einer Nierenkolik mit schmerzstillenden und krampflösenden Medikamenten helfen. Die Patienten sind völlig aufgelöst!“

Aber wie kommt es dazu, dass sich Nierensteine überhaupt bilden: „Nierensteine entstehen durch eine Übersättigung von im Urin befindlichen Salzen, die sich zu Kristallen zusammenfügen und dann zu Steinen zusammenwachsen. Zunächst sind diese Steine klein; bis zu zwei Millimeter werden sie häufig unbemerkt ausgeschieden. Steine über zwei Millimeter verursachen bei der Wanderung von der Niere zur Blase häufig Koliken“, erklärt Dr. Schiefelbein. Aus „heiterem Himmel“ könne dann ein heftiger Schmerz einsetzen, meist in der Flanke beginnend, in den Unterbauch und bis in die Genitale ausstrahlend.

Begleiterscheinungen könnten auch Kreislaufprobleme, Übelkeit und Erbrechen sein, so der Urologe. Die Salze im Urin können also „verklumpen“, oft verursacht durch geringe Flüssigkeitszufuhr (unter einem Liter pro Tag). Laut Bundesministerium für Forschung und Bildung (BMBF) werden etwa 400.000 Nierensteine jährlich in Deutschland entfernt.

Aber ist Nierenstein gleich Nierenstein? „Über 70 Prozent der Steine bestehen aus Calcium-Verbindungen, 15 Prozent sind Harnsäure-Steine und rund zehn Prozent sind sogenannte Infektsteine, die sich bei einem Harnwegsinfekt bilden können“, so der 56-Jährige.

Es kann jeden treffen

Gibt es Zielgruppen, die besonders gefährdet sind, oder kann es jeden treffen? Der Chefarzt der Urologie im Missio meint, dass es prinzipiell jeden treffen könne. Männer seien statistisch häufiger von Nierensteinen geplagt als Frauen und zwar im Alter zwischen 20 und 60 Jahren. Erkrankungen der Nebenschilddrüse, der Nieren und des Magen-Darm-Traktes würden das Risiko, Nierensteine zu bilden, begünstigen. ­Ebenso Übergewicht, mangelnde Bewegung, zu geringe Trinkmenge, einseitige Ernährung, bestimmte Medikamente oder auch calciumhaltige Nahrungsergänzungsmittel, so der seit 28 Jahren im Notarztdienst tätige Urologe.

Prophylaxe

Für fast alle Krankheiten gibt es eine Prophylaxe … kann man Nierensteinbildung vorbeugen? Wenn ja, wie? Dr. Frank Schiefelbein: „Die Steinzusammensetzung ist entscheidend für die Empfehlungen, einem Steinleiden vorzubeugen. Calciumhaltigen Steinen beugt man vor, indem man calciumreiche Nahrungsmittel wie Milchprodukte reduziert oder meidet und die Trinkmenge auf zwei bis drei Liter pro Tag steigert“, weiß der Mediziner.

Ein „verdünnter“ Urin könne mehr Salze lösen. Sport, also viel Bewegung, und die Reduktion des Körpergewichts seien ebenfalls angeraten. Harnsäure-Steine sollten medikamentös behandelt werden oder auch durch Alkalisierung des Urins auf einen pH-Wert von 6,2 bis 6,8. Diese Steinart könne so oft gut aufgelöst werden.

Der Arzt mahnt: „Ein individueller Ernährungsplan hilft. Ein hoher Puringehalt der Nahrung erhöht die Harnsäure im Blut, kann Gichtanfälle auslösen und Harnsäuresteine bilden. Fleisch und Wurst, insbesondere Innereien, sollten gemieden werden!“ Bei Oxalat-Steinen (Calcium-Oxalat) sollten Schokolade und Nüsse, Kaffee, Spinat und Rhabarber reduziert werden.

Therapien

Was ist nun, wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen ist, und man einen oder mehrere Nierensteine hat? Bei kleinen Steinen würden zunächst konservative Maßnahmen mit Erhöhung der Trinkmenge und engmaschige ärztliche Kontrolle ausreichen. Mit einer Gabe von Medikamenten könnten kleine Harnleitersteine leichter auf natürlichem Wege ausgeschieden werden.

„Bei großen Steinen im Nierenbecken ist die ESWL (Extrakorporale Stoßwellenlithotrypsie) die Therapie der Wahl, bei der von außen mit akustischen Druckwellen (Stoßwellen) Steine in kleine Fragmente zertrümmert und dann über den Harntrakt ausgeschieden werden.” Größere Nierensteine könnten über eine Ultraschalluntersuchung in Narkose anpunktiert und nach Erweiterung des Punktionskanals mit einem Steinlaser unter optischer Kontrolle zerkleinert werden. Die Bestandteile würden über das Endoskop ausgespült.

„Harnleitersteine, die nicht spontan abgehen, können über die Harnröhre unter optischer Kontrolle von eingeführten Endoskopen entweder komplett mit einem feinen Körbchen entfernt oder mit einem Laser zu feinem Staub zerkleinert werden“, so der Chefarzt.

„Harnblasensteine werden entweder elektrohydraulisch mit einer Sonde oder mit einem Laser zerkleinert und endoskopisch abgesaugt“. Lebensgefährlich seien blockierende Steine, vergesellschaftet mit einem bakteriellen Infekt. Hier drohe eine Urosepsis (Blutvergiftung im Urogenitaltrakt), die sofort behandelt werden müsse, um das Leben des Patienten zu retten.

Quelle Statistiken: Bundesministerium für Forschung und Bildung (BMBF)

Das Interview mit dem Chefarzt der Urologischen Klinik im Missio Dr. Frank Schiefelbein führte Lebenslinie-Chefredakteurin Susanna Khoury.

Share.