Die meisten Deutschen vertragen das Klebereiweiß Gluten respektive dessen Unterfraktion Gliadin problemlos: Nur 0,4 Prozent müssen einer Studie des Marktforschungsinstituts Nielsen zufolge aufgrund der Unverträglichkeit Zöliakie komplett darauf verzichten.
Dennoch greifen ganze neun Prozent der Verbraucher zu glutenfreien Angeboten. Woher kommt dieser Trend?
Auch hier scheint der Ursprung mal wieder in Amerika zu liegen: Dort aufgelegte Bücher wie „Die Weizenwampe“ oder „Dumm wie Brot“ waren zuerst in den USA und dann in Deutschland große Erfolge.
Beide Schmöker propagieren Gluten als „bösen“ Stoff und beschuldigen ihn als Verursacher sämtlicher Zivilisationskrankheiten.
„Wenn dem so wäre, wäre die Menschheit längst zugrunde gegangen“, beruhigt Dr. Petra Kühne vom Arbeitskreis für Ernährungsforschung in Bad Vilbel, Weizen sei weltweit das wichtigste Getreide.
Die Autoren versprechen aber nicht nur eine Genesung von der Unverträglichkeit, sondern auch die Gewichtsabnahme bei gänzlichem Gluten-Verzicht – in Promi-Kreisen schwört man aktuell auf diese „Diät“.
Die Gewichtsabnahme ist allerdings weniger auf den Gluten-Verzicht zurückzuführen, als auf die generell bewusstere Ernährung: Denn wer glutenfreie Produkte essen will, hat es nicht leicht bei der Lebensmittelwahl.
Gluten ist fast überall enthalten: In Kuchen, Brot, Brötchen und in Keksen. Aber auch in Fertigprodukten, in Ketchup und sogar in Eis wird Gluten zur Bindung verwendet.
Hinzu kommen zahlreiche Fleischersatzprodukte, die aus Seitan (reinem Weizengluten) hergestellt werden.
Doch egal, ob sinnvolle Gesundheitsmaßnahme oder Hype: Lebensmittelproduzenten wollen dem Wunsch der Verbraucher nach glutenfreien Angeboten natürlich gerecht werden.
Besonders anspruchsvoll ist das im Bereich des Bäckereihandwerks: „Es ist wortwörtlich unser täglich Brot, wenn wir in der Backstube glutenhaltiges Getreide verarbeiten“, erklärt Ernst Köhler, Inhaber und Geschäftsführer der Würzburger Vollkornbäckerei Köhler.
„Trotz allem haben wir es geschafft, nun auch Produkte in unser Sortiment aufzunehmen, die ohne glutenhaltige Mehle separat in unserer Konditorei gebacken werden.“
So finden sich täglich Kuchen und immer donnerstags Mais-Chia- und Kartoffelbrot ohne glutenhaltige Mehle (können Spuren von Gluten enthalten) in Köhlers Verkaufstheken.
www.vollkornbaeckerei-koehler.de
Wenn es nach dem Verzehr von Brot und Backwaren zu Verdauungsbeschwerden und Übelkeit kommt, muss das nicht unbedingt bedeuten, dass eine Zöliakie vorliegt: Auch die rund 200 Zusatzstoffe, die bei der Herstellung von konventionellen Angeboten erlaubt sind, werden nicht von jedem Menschen gut vertragen. Die Konservierungsstoffe, Dickungsmittel und Emulgatoren können genauso Bauchgrummeln, Völlegefühl oder Durchfall auslösen.