Überlebenswichtige Früherkennung

Internist Dr. Dirk Weismann über Sepsis

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Einer Sepsis, im Volksmund auch Blutvergiftung genannt, geht immer eine Infektion voraus. Wenn diese zu spät behandelt wird und/oder durch Antibiotika nicht mehr in den Griff zu bekommen ist, endet sie oftmals tödlich. „Alle sieben Minuten stirbt ein Mensch in Deutschland an Sepsis. […] damit ist die Sepsis hierzulande als zeitkritischer, medizinischer Notfall die dritthäufigste Todesursache“, publiziert der gemeinnützige Verein „Aktionsbündnis Patientensicherheit”¹, in seiner Aufklärungsbroschüre „Deutschland erkennt Sepsis“². Das Bündnis, dem unter anderem auch die Sepsis Stiftung und die Deutsche Sepsis Hilfe angehören, behaupten, dass bei frühzeitigerer Diagnosestellung rund ein Drittel der Sepsis-Todesfälle verhindert werden können. Der Leiter der internistischen Intensiv- und Notfallmedizin im Uniklinikum Würzburg Dr. Dirk Weismann, der täglich Sepsisfälle auf seiner Intensivstation sieht, kann diese These so nicht unterschreiben. „Man muss die Erkrankung, die zugegebenermaßen uns Mediziner:innen immer noch viele Rätsel aufgibt, differenziert sehen“ betont der Internist und Endokrinologe. Sehr kranke multimorbide Patient:innen können durch eine wie auch immer geartete Infektion schnell eine Sepsis bekommen, die zu Multiorganversagen und dann zum Tod führt.

Dr. Dirk Weissmann ©Daniel Peter

Da die Erkrankung bis dato von der Medizin nicht wirklich verstanden sei, könne selbst auf der Intensivstation der in 50 bis 80 Prozent der Fälle tödlich endende septische Schock oftmals nicht verhindert werden. Der Grund: Eindeutige Marker, die Ärzt:innen die Entwicklung kommen sehen lassen, fehlen. Es gebe zwar einen sogenanntes Score-System, bei dem man beispielsweise für Atemfrequenz, Blutdruck, Leber- und Nierenwerte sowie Entzündungsparameter Punkte vergeben kann, die in der Summe darauf hinweisen sollen, ob eine Sepsis vorliegt oder nicht. Mit absoluter Sicherheit könne man die Sepsis jedoch nicht vorhersehen, so Weismann. Daher breche er auch für seine niedergelassenen Kolleg:innen, die rund 55.000 Hausärzt:innen in Deutschland³, eine Lanze. Um eine Sepsis übersehen zu können, so der Vorwurf des Aktionsbündnisses Patientensicherheit, müsse man sie überhaupt kommen sehen können, kontert der Leiter einer internistischen Intensivstation. „Unspezifische Symptome wie extremes Unwohlsein, Verwirrtheit, Schwitzen, beschleunigte Atmung oder allgemeine Schwäche, können vielfältigen Krankheitsbildern im Alter geschuldet oder leider auch die Vorboten einer sich anbahnenden Sepsis sein“, so der Spezialist für kardiogenen und septischen Schock. „Es gibt keine eindeutigen Marker.“ Er und sein Team haben jedoch erste vielversprechende Forschungsergebnisse im April dieses Jahres in der Fachzeitschrift „Blood“ publiziert⁴, die auf ein Frühwarnsystem für Sepsis (ein Rezeptor auf den Thrombozythen, der seine Funktion verliert) hinweisen. Jetzt gilt es, dieses noch sehr aufwendige Messverfahren in absehbarer Zeit am Krankenbett zu etablieren, um die Sepsis besser behandeln zu können und damit letztendlich Leben zu retten.

Quellen:
¹Das Aktionsbündnis Patientensicherheit arbeitet mit Verbänden, Fachgesellschaften, Forschungsinstituten, Krankenkassen, Institutionen der Selbstverwaltung und Patientenorganisationen zusammen und wird vom Bundesministerium für Gesundheit unterstützt; www.aps-ev.de,
²www.deutschland-erkennt-sepsis.de,
³www.bundesaerztekammer.de,
www.uni-wuerzburg.de/aktuelles/einblick/single/news/sepsis-moeglichst-frueh-erkennen

Das Interview mit dem Leiter der internistischen Intensiv- und Notfallmedizin am UKW führte Lebenslinie-Chefredakteurin Susanna Khoury.
www.ukw.de

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