Drei Jahre ist es nun her, dass ein aus dem Tierreich stammender Erreger die Welt in Atem hielt. Die Covid-19-Pandemie verdeutlicht einmal mehr, wie alles mit allem zusammenhängt: das Wohlbefinden der Tiere, die menschliche und die planetare Gesundheit. Professorin Marit Rosol, Leiterin des Lehrstuhls für Wirtschaftsgeographie an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU), klagt nicht nur Missstände an, sie sieht in der menschengemachten Disruption auch Chancen für eine globale Agrar- und Ernährungswende. Ob diese gelingen kann, so Rosol, werde im Wesentlichen davon abhängen, wie wir in Zukunft Nahrungsmittel produzieren, verarbeiten, handeln und konsumieren. Grundvoraussetzung sei, die Pandemie nicht als „black swan“, als extrem seltenes Naturereignis misszuverstehen, sondern als das, was sie ist: eine sichtbargewordene Problemlage sich gegenseitig verstärkender Wechselwirkungen, die aus unserem Umgang mit der Natur resultieren. Dabei sei das Agrar- und Ernährungssystem eine wesentliche Ursache für die Ausbreitung von neuen Infektionskrankheiten, so die Professorin. Aber das ist noch nicht die ganze Wahrheit: „Global gesehen werden die meisten vorzeitigen Todesfälle durch Hunger, Mangelernährung und ungesunde Ernährungsweise verursacht. Noch immer sind mindestens 900 Millionen Menschen unterernährt. Zudem stehen sogenannte Zivilisationskrankheiten – wie Diabetes, Herz- Kreislauf-Krankheiten, Bluthochdruck, geschwächtes Immunsystem oder Adipositas – im Zusammenhang mit der Ernährung. Insbesondere Fettleibigkeit, meist die Folge eines übermäßigen Verzehrs an hoch verarbeiteten, energiedichten, aber nährstoffarmen Produkten mit hohem Anteil an Salz, Fett und Zucker, wird seit Langem selbst schon etwas lapidar als ‚Epidemie‘ oder sogar ‚Pandemie‘ bezeichnet.“1 Landwirtschaft sei aber nicht nur Treiber, sondern auch Opfer der menschengemachten Probleme, weiß Professor Rosol. Hitze und Dürre und andere Extremwettereignisse schmälern die Erträge oder lassen sie ganz ausfallen. Auch ökonomisch funktioniert das System nicht gut. Der Handel zahlt Betrieben meist so wenig Geld für ihre Produkte, dass sie billig und „auf Masse“ produzieren müssen. „Solidarische Landwirtschaft“ sei der Geografin zufolge ein vielversprechender Ansatz für eine Agrar- und Ernährungswende, die gelingen könnte. Dabei schließen sich Verbraucher:innen mit Agrarbetrieben zusammen. Die Beteiligten teilen sich die Kosten für den Anbau, den Ertrag sowie das unternehmerische Risiko. Auch Studierenden will die neue Professorin, die erst seit 2022 an der JMU unterrichtet und zuvor an der Calcary Universität in Kanada tätig war, Lehrveranstaltungen anbieten, die nah an den Problemen der Region und der Welt sind. Sie plant etwa ein Seminar „Geographien der Ernährung“, das Exkursionen zu Erzeuger- und Handelsbetrieben in der Region beinhaltet. Und das sind nicht die einzigen Vorstöße, die Rosol macht, sodass eine Transformation gelingen kann, im Kleinen wie im Großen.
Quelle: 1Rosol, Marit/Rosol, Christoph (2021): Welt im Fieber. Zur Notwendigkeit einer globalen Agrar- und Ernährungswende in Zeiten des Anthropozäns. In: AgrarBündnis e.V. (Ed.): Der Kritische Agrarbericht. Hamm: ABL-Verlag, 8–12. (Open access)