Auch im hohen Alter gesund zu sein, ist ein Geschenk – das nicht jedem gegönnt ist. Oft stellen sich spätestens nach dem 70. Lebensjahr erste Zipperlein ein.
Man benötigt mehr und mehr Hilfe, um den Alltag zu bewältigen. War keine Familie da, hieß das bisher oft, in ein Heim umziehen zu müssen. Doch das lehnen Senioren heute oft ab.
Aus diesem Grund entstehen immer mehr alternative Modelle zu stationären Einrichtungen. In Deutschland, Bayern und auch Würzburg.
Projektmanager Martin Okrslar ist ein ausgewiesener Fachmann für Fragen rund ums gemeinschaftliche Wohnen.
Welche Vorteile Genossenschaften als Träger von Wohnprojekten bieten, stellte er bei der Tagung „Wohnen wie zu Hause“ der bayerischen Staatsregierung in Würzburg vor.
Genossenschaften sind für Okrslar eine ideale Rechtsform für Wohnprojekte, da sie ein hohes Maß an Bürgerbeteiligung und Gemeinwohlorientierung ermöglichen.
Der Initiator der 2012 gegründeten Maro Genossenschaft engagiert sich für Mehrgenerationen-Wohnen, Hausgemeinschaften, Demenz- und Pflege-WGs explizit im ländlichen Raum.
Dorette Deutsch ist, anders als Okrslar, von Hause aus kein Profi für Fragen zum Thema „Wohnen“.
Die 61-jährige Germanistin arbeitet als Publizistin. In ihrem Buch „Lebensträume kennen kein Alter“ gab sie bereits 2007 einen beeindruckenden Überblick über gemeinschaftliche Wohnformen in Deutschland.
Seither ist sie eine gefragte Referentin. Nach ihrer Einschätzung gibt es inzwischen über 1.000 Hausgemeinschaften und alternative Wohnkonzepte.
Ein Beispiel ist das bundesweit einmalige „Bielefelder Modell“. Ältere Menschen sowie Menschen mit Handicap finden hier barrierefreie Wohnungen. Über einen Servicestützpunkt ist eine sichere Versorgung rund um die Uhr garantiert.
Im „Wohncafé“ gibt es für wenig Geld ein Mittagessen, an dessen Zubereitung die Gäste mitwirken können.
Auch im Münchner Café Rigoletto können Jung und Alt günstig lunchen. Das Café fungiert als Herzstück der ersten Wohnanlage der Wohnbaugenossenschaft „wagnis“, die sich in der Landeshauptstadt für eine soziale und ökologische Wohnungsversorgung einsetzt.
„Oldies leben gemeinsam aktiv“ (Olga) nennt sich ein Nürnberger Projekt zum selbstbestimmten Wohnen bis zum Alter.
Auch Susanne Flynn befasst sich professionell mit dem Thema „Wohnen“. Die Architektin gehört dem Münchner Verein „Urbanes Wohnen“ an.
Seit über 20 Jahren begleitet und berät der Verein Gruppen, die ihre Wohnsituation verbessern wollen: „Das kann ein Genossenschafts-, Miet- oder Eigentumsprojekt sein.“
Auch die inhaltlichen Schwerpunkte der Wohnprojekte sind ganz unterschiedlich. Sie kreisen um die Themen Kunst und Kultur, Inklusion oder Wohnen im Alter.
Mitunter besteht die Gefahr, dass gemeinschaftliches Wohnen nur das Etikett eines Bauvorhabens ist. Gelebt wird es kaum.
Dass soll beim Projekt des Würzburger Vereins „Wohnen in Gemeinschaft – Jung und Alt“ verhindert werden.
„Ein Kriterium für künftige Bewohner ist, dass sie ein echtes Interesse an der Gemeinschaft mitbringen“, so Vereinsvorstand Hermann Wördehoff.
Geplant ist dem Architekten zufolge zum Beispiel, zwei- oder dreimal im Jahr etwas gemeinsam zu unternehmen. Für über 3,5 Millionen Euro realisiert der Verein derzeit in Oberdürrbach eine Mehrgenerationenwohnanlage mit insgesamt vier Häusern.
Im nächsten Monat ist wieder ein Stammtisch geplant, zu dem auch Nichtmitglieder kommen können: Am 9. Februar findet er um 19.30 Uhr im Würzburger Hofbräukeller statt.
Bei dem Stammtisch geht es nicht nur um das aktuelle Projekt in der Oberdürrbacher Sankt-Josef-Straße. Unter dem Motto „Wohnen in Gemeinschaft“ sollen in den kommenden Jahren weitere Wohnprojekte entstehen.
„Am liebsten in jedem Würzburger Stadtteil“, wünschen sich die Vereinsmitglieder. Einfach ist es allerdings nicht, alternative Wohnprojekte zu stemmen. Was alles auf einen zukommt, davon können die Mitglieder eine Menge erzählen.
In Würzburg darf man optimistisch sein, dass Umzüge ins Heim immer häufiger verhindert oder deutlich hinausgezögert werden können. Dazu trägt auch das Caritas-Projekt „Wohnen für Hilfe“ bei.
Drei Jahre lang gibt es diese Initiative inzwischen. Um die 60 Wohnpartnerschaften wurden in dieser Zeit vermittelt. Studierende, so die Idee, wohnen kostenlos bei Familien oder Senioren.
Als Mietersatz leisten sie Nachhilfe, hüten kleine Kinder, helfen älteren Menschen im Haushalt, leisten Gartenarbeit oder unterstützen beim Einkaufen.
Wie viel Hilfe statt Miete geleistet wird, das vereinbaren die Paare individuell. Haben sie sich geeinigt, wird dies vertraglich fixiert.
Dass es alles andere als angenehm ist, in ein Heim zu ziehen, weiß auch Karl-Heinz Arians.
Der Ministerialdirigent im Sozialministerium ist seit einem Unfall vor 32 Jahren auf den Rollstuhl angewiesen.
Damals wollte man ihn zu einem Heimumzug bewegen. Was Arians verweigerte. „Leider ist der Anteil an alternativen Wohnformen für Senioren immer noch sehr gering“, bedauert er. Laut dem Würzburgs SPD-Landtagsabgeordneten Volkmar Halbleib liegt das an zu geringen Fördergeldern des Freistaats.
Im Haushaltsplan 2015/16 seien jährlich 500.000 Euro für ambulante Wohn- und Betreuungsformen vorgesehen: „Das ist bei weitem nicht ausreichend.“