Schambesetzter Analphabetismus

Die Würzburger vhs bietet Kurse an für Personen mit geringer Literalität

0

Wer die Schule besucht hat, kann lesen, daran ist nicht zu zweifeln, denken Viele. Doch dem ist keineswegs so. Rund 150.000 Schüler gehen jedes Jahr mit nur rudimentären Sprachkenntnissen von der Schule ab. „Das hat ganz unterschiedliche Gründe“, sagt Sabine Steinisch von der Würzburger Volkshochschule (vhs). Manche dieser Schüler erhielten kaum Unterstützung von ihrer Familie. Andere rutschten durch, weil die Klassen mitunter immer noch zu groß sind. Es ist schrecklich peinlich, nicht lesen zu können, das lässt sich nicht wegreden. Menschen mit geringer Literalisierung tun deshalb auch alles, um ihr Manko zu verbergen. Zum Teil spannen sie Familienmitglieder ein, die das Lesen und Schreiben für sie übernehmen. Sabine Steinisch appelliert, Hilfe zu suchen – und zwar am besten, bevor es zu gravierenden Nachteilen kommt.

Laut Steinisch erleben funktionale Analphabeten zum Beispiel häufig berufliche Misserfolge: „Es ist schwierig, eine Arbeit zu finden, wenn man nicht ausreichend lesen und schreiben kann.“ Die Würzburger vhs organisiert in regelmäßigen Abständen einen „Deutsch lesen und schreiben“-Kurs, und zwar bisher als einziger Anbieter in der Region. Die Kurse zu füllen sei jedoch, weil das Thema so schambesetzt ist, schwierig. Jeweils fünf Interessenten müssen sich finden, damit ein Kurs starten kann. Damit die Teilnahme nicht am Geld scheitert , werden die Kurse vom Freistaat gefördert. Sie dauern ein Dreivierteljahr und finden freitagnachmittags statt. Bevor es losgeht, wird erhoben, wie stark der Analphabetismus bei den einzelnen Teilnehmern ausgeprägt ist. Altersmäßig war das Gros der Teilnehmer bisher meist zwischen 30 und 50 Jahre.

Was das Phänomen „Analphabetismus“ selbst betrifft, gibt es valide Daten. Nach der LEO-Studie (Leben mit geringer Literalität) aus dem Jahr 2018 sind rund 6,2 Millionen Deutsch sprechende Erwachsene im Alter zwischen 18 und 64 gering literalisiert. Das entspricht 12,1 Prozent der Bevölkerung. In Bayern sollen laut Staatsregierung bis zu einer Million Menschen betroffen sein. Das ist eine gewaltige Zahl. Heruntergebrochen auf Stadt und Kreis Würzburg bedeutet sie, dass in unserer Region bis zu 20.000 Menschen nicht ausreichend lesen und schreiben können. Analphabetismus darf im Übrigen nicht nur in Bezug auf Menschen mit Migrationshintergrund betrachtet werden, sagt Steinisch: Bei über der Hälfte der Betroffenen handele es sich der LEO-Studie zufolge um Muttersprachler.

Besorgniserregend ist für Experten, dass der PISA-Studie aus dem Jahr 2018 zufolge offenbar nur jeder fünfte Schüler im Alter von 15 Jahren sinnerfassend lesen kann. Über 20 Prozent der 15-Jährigen befinden sich diesbezüglich auf den untersten Kompetenzstufen. Die Lesefähigkeit dieser Jugendlichen liegt damit in etwa auf dem Niveau funktionaler Analphabeten.

Unter Telefon 0931.355930 informiert Sabine Steinisch unverbindlich über das vhs-Kursangebot „Deutsch lesen und schreiben“

Share.