Wenn sich selbst der bayerische Ministerpräsident des Themas annimmt und wie im November 2023 vorschlägt, Gendern im Unterricht künftig zu verbieten, ist klar, dass dieses Thema nicht nur wichtig ist, sondern auch polarisiert. Die Sichtbarkeit von Frauen und die Sicht auf Frauen in der Gesellschaft sind für die Genderforscherin Stevie Schmiedel bereits seit mehr als zehn Jahren Thema. Die Gründerin von Pinkstinks, einer Protestorganisation, die gegen Produkte und Werbeinhalte agiert, die Kindern eine limitierende Geschlechterrolle zuweist, hat viel dazu beigetragen, dass wir heute weniger sexistische Werbung sehen. Zu Beginn richtete sich die Kritik von Pinkstinks gegen die TV-Show „Germany’s Next Topmodel“ von Heidi Klum, in der bis vor wenigen Jahren ausschließlich das von der Modeindustrie geforderte Schönheitsideal propagiert und junge Frauen mehr Objekt als Akteurinnen der Show waren. Bis heute gibt die Pinkstinks-Webseite Werbemelder:innen die Möglichkeit, als diskriminierend empfundene Werbung entsprechend bewerten zu lassen. Und bis heute findet sich dort auch immer wieder Werbung mit Heidi Klum – zuletzt die Kampagne gemeinsam mit ihrer Tochter Leni für die italienische Unterwäsche-Marke Intimissimi, die Pinkstinks als nicht sexistisch eingestuft hat. Mittlerweile hat Stevie Schmiedel die Leitung von Pinkstinks abgegeben und ein Buch veröffentlicht, das sie im September 2023 auch in Würzburg vorstellte. Provokant sagt sie darin: „Der heutige Feminismus ist ein einziges Gemetzel.“ In einem Interview ordnete sie die Aussage ein: […] Die Konflikte häufen sich, der Ton ist oft scharf. Jüngeren Feministinnen wird von älteren vorgeworfen sich statt um die Abschaffung des Ehegattensplittings um ‚verbissenes Klein-Klein‘ wie die Gendersprache zu kümmern […].“ Vor allem um die Geschlechter-Identität wird leidenschaftlich gestritten. Für ältere Feministinnen ist die Frage, ob und wie genau in der Sprache gegendert wird, bei Weitem nicht so wichtig wie das Einstehen für eine gleichberechtigte Aufteilung der Care-Arbeit oder Maßnahmen gegen häusliche Gewalt. Für junge Frauen ist jedoch gerade inklusive Sprache ein wichtiger Türöffner für weniger stereotypisches Denken. Kurz zurück zu Markus Söder und der Frage, ob es denn wirklich einen so großen Unterschied macht, wenn weiterhin in Texten und Reden das generische Maskulinum verwendet wird: Eine Studie zeigte, dass sich Kinder unter einem Arzt keine Frau vorstellen und sich Mädchen oft nicht in einer solchen Position sehen. Bei Mädchen, in deren Elternhaus etwas gegen diese Wahrnehmung gesetzt wird, spielt die Sprache keine Rolle. Für viele Kinder ist dies aber nicht der Fall und eine gendergerechte Sprache könnte einen Unterschied machen. Dem stimmt auch die Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Würzburg, Petra Müller-März zu: „Eine demokratische Gesellschaft zeichnet sich unter anderem dadurch aus, dass alle Menschen die Möglichkeit haben mitzumachen und mitzubestimmen. Dazu müssen auch alle Menschen angesprochen werden, das gelingt mit einer geschlechterumfassenden Sprache am besten“. Kurz vor Druck der Lebenslinie wurde es amtlich: Ministerpräsident Markus Söder und sein Kabinett lassen in Bayern das Gendern verbieten. Es soll für Schulen, Hochschulen, sowie die Verwaltung gelten. Bei Verstößen drohen Konsequenzen.
Inklusive Sprache als Türöffner
Es geht schon lange nicht mehr nur um pinke Überraschungseier! Warum uns ein bisschen Genderwahn guttut
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