Auch im hohen Lebensalter agil zu sein – wer würde sich das nicht wünschen? Vielen Menschen ist das jedoch nicht vergönnt. Vor allem steigt die Zahl der an Demenz erkrankten Senioren kontinuierlich an.
Noch gibt es gegen Alzheimerdemenz keine erfolgreiche Therapie. Es verdichten sich jedoch Hinweise, dass der Krankheitsverlauf durch eine frühe Intervention positiv beeinflusst werden kann. In der von der Vogel-Stiftung geförderten Würzburger „Vogel-Studie“ geht man dieser Frage seit 2010 nach. Die bisherigen Ergebnisse machen Hoffnung, zeigte der 3. Würzburger Demenztag, der Mitte September im Vogel Convention Center veranstaltet wurde.
„Eine Nachuntersuchung klinischer Studien ergab, dass Versuchsteilnehmer, die in sehr frühen Stadien behandelt wurden, von einer Therapie profitieren würden“, erklärte Dr. Thomas Polak, Koordinator der an der Uniklinik etablierten Vogel-Studie. Dies betrifft zumindest den bislang am breitesten beforschten Therapieansatz, der die Ablagerungsprozesse des sogenannten Beta-Amyloids zum Inhalt hat.
Noch steht eine Bestätigung der Ergebnisse aus: „Entsprechende Studien werden jedoch gegenwärtig unternommen.“ Es gibt kein Alzheimer ohne Amyloid, verdeutlichte Dr. Martin Lauer von der Würzburger Uniklinik für Psychiatrie: Dieses Amyloid sei der Nährboden für das, was für die Entstehung von Alzheimer besonders relevant sei: das abnorm veränderte Eiweiß namens Tau-Protein, das allmählich im Hirnwasser ansteigt.
„Amyloid scheint der schlechte Nährboden für die tödliche Tau-Kugel zu sein“, erläuterte der Oberarzt, der die Gedächtnisambulanz an der psychiatrischen Uniklinik leitet. Noch sei es nicht möglich, TAU abzufangen: „Aber vielleicht können wir verhindern, dass die TAU-Kugel abgeschossen wird, indem wir das Amyloid und damit den Nährboden entziehen.“
Eine Infusion pro Monat
Hoffnung, dass dies mittelfristig gelingen könnte, macht Lauer zufolge ein neues Antikörper-Medikament, über das amerikanische Forscher unlängst im Fachmagazin „Nature“ berichteten. Die Teilnehmer der Pilotstudie erhielten das neue Präparat laut Dr. Lauer einmal pro Monat als Infusion: „Wie sich zeigte, wurde dadurch die Amyloid-Belastung im Gehirn wirklich reduziert.“
Folgestudien sollen nun nachweisen, dass das Antikörper-Präparat die Alzheimer-Demenz tatsächlich bremsen kann. Die Pilotstudie aus Amerika untermauert den Ansatz der Würzburger Vogel-Studie: Keiner der Teilnehmer hatte eine ausgeprägte Alzheimerdemenz. Es waren allenfalls erste kognitive Einschränkungen spürbar.
Per Positronen-Emissions-Tomografie (PET) konnten jedoch manifeste Amyloid-Ablagerungen diagnostisch bestimmt werden. Auch in Bezug auf die neue therapeutische Strategie gehen die Forscher deshalb davon aus, dass eine Behandlung dann wohl nicht mehr greife, wenn das Gehirn bereits mit Amyloid gesättigt sei.
Noch ist die neue Therapie mit Antiköpren nicht zugelassen, da ihre Wirksamkeit erst in Folgestudien bewiesen werden muss. Menschen, die einer Demenz vorbeugen wollen, können PD Martin Lauer zufolge allerdings schon jetzt Einiges tun, um ihr Risiko zu verringern. So sei es sinnvoll, sich gesund mit viel Gemüse und Obst zu ernähren, sich reichlich zu bewegen und kognitiv aktiv zu sein.
Auch sollte der Blutdruck vor allem im mittleren Lebensabschnitt sehr gut eingestellt werden. „Schließlich ist gesunder Schlaf eine wichtige Maßnahme“, so der Mediziner. Im Schlaf komme es zu Druckveränderungen im Gehirn: „Dadurch wird Amyloid ausgewaschen und über die Blutbahn entsorgt.“
Beginn bereits bei Kindern
Leichte Gehirnschädigungen durch negative Erfahrungen, Stress, Überforderung oder auch zu hohen Blutdruck haben dem Psychiater zufolge viele Menschen. Erste Veränderungen könnten bereits bei sechs Jahre alten Kinder beobachtet werden: „Insgesamt zeigt jeder fünfte Mensch unter 30 Jahren Veränderungen im Gehirn.“
Alzheimer sei demnach eine „absolut menschliche Erkrankung“. Heikel werde sie dann, wenn sie einen Menschen im Laufe der Zeit immer stärker überwältigt. Würden die Menschen mit Blick auf ihr Gehirn gesünder leben, könnten möglicherweise bis zu einem Drittel aller Demenzen verhindert werden.
„Man kann das Risiko etwas minimieren“, bestätigte Prof. Dr. Jens Wiltfang vom Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE), das mit dem Team der Vogel-Studie kooperiert.
Dem Göttinger Psychiatrieprofessor und Koordinator der Klinischen Forschung des DZNE zufolge dürfen Erkenntnisse zur Prävention jedoch nicht zur gesellschaftlichen Spaltung führen: „Man kann nicht sagen: ‚Hättest du lebenslang Schach gespielt, hättest du keine Demenz bekommen!’ Das ist nicht so.“
Die Vogel-Stiftung investiert bis 2018 mehr als eine halbe Million Euro in die Würzburger Initiative zur Früherkennung von Demenz. „Das Forschungsprojekt läuft sehr gut“, resümierte Dr. Kurt Eckernkamp, Vorsitzender des Stiftungsrats, beim Demenztag.
Es mache Hoffnung, dass sowohl die Diagnostik als auch die Therapie bald verbessert werden können.