Papayas aus Oberfranken

Der „Garten Eden“ in Tettau produziert „die Frucht der Engel“ und andere Tropenfrüchte in Bio und mit äußerst positiver CO₂-Bilanz

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Wer den imposanten Bau betritt, dem eröffnet sich eine andere Welt. Draußen die schroff-schöne Natur des Frankenwalds – drinnen exotisches Ambiente aus fernen Ländern. Im Mai 2014 wurde das Tropenhaus am Rennsteig in Tettau eröffnet. Dort, unter riesigen Glasscheiben, herrschen Raumlufttemperaturen zwischen 20 und 24 Grad – im Sommer sogar bis zu 32 Grad – und mindestens 75 Prozent Luftfeuchtigkeit. Ein Kontrast, der unter die Haut geht und dem Gebäude zurecht den Namen „Klein Eden“ eingebracht hat. „Die Atmosphäre im Tropenhaus entschleunigt“, sagt Geschäftsführer Ralf Schmitt. „Man lässt los.“ Doch während Besucher beim Gang durch die Anlage abschalten und sich ganz im satten Grün verlieren, wird hinter den Kulissen fleißig gearbeitet. Denn das Tropenhaus ist Pilotprojekt in Sachen Nachhaltigkeit. Auf rund 2.600 Quadratmetern werden mittels industrieller Abwärme und aufgefangenem Regenwasser vollausgereifte tropische Früchte erzeugt und zum Selbstkostenpreis an Verbraucher, etwa Gastronomen wie TV-Koch Alexander Herrmann, abgegeben – seit Sommer 2017 sogar mit Biozertifizierung.

©Ralf Schmitt

„Der Konsument möchte ein ehrliches und sauberes Produkt aus der Region“, sagt der wissenschaftliche Leiter des Tropenhauses. Und das bekomme er hier: „Durch den lokalen Anbau werden lange und CO₂-intensive Transportwege aus Übersee vermieden“, erklärt Schmitt. „Die meisten Tropenfrüchte, die im Supermarkt zu finden sind, werden unreif geerntet und erst im Verbraucherland in Reifekammern mit dem Reifegas Ethylen behandelt.“ Dies verursache einen höheren Energieaufwand und deutliche Geschmackseinbußen der importierten Früchte. Mit 1.300 Kilogramm im Jahr 2018/2019 liegt ein Produktionsschwerpunkt im Tropenhaus auf Papayas. „Nach Mango und Ananas, Banane ausgenommen, ist die Papaya die dritt wichtigste tropische Frucht“, so der 44-Jährige. „In Deutschland ist sie das ganze Jahr über erhältlich. Hauptlieferant ist Brasilien mit einem Anteil von 71 Prozent.“ Und die Importe, die meist per Luftfracht ankämen, so Schmitt, würden stetig wachsen. „Hier sehen wir definitiv Handlungsbedarf!“ Warum sich die Papaya so hoher Beliebtheit erfreut, scheint auf der Hand zu liegen. Denn die „Frucht der Engel“ ist nach Ansicht des Gärtnermeisters und eingetragenen Gewürzsommeliers ein Multitalent. „Man kann von ihr alles verwenden.“ Schon die grüne Frucht könne roh als Salat oder wie ein Kohlrabi gegessen werden. In der noch grünlichen Schale sowie in den schwarzen Kernen ist Papain enthalten. Das Enzym dient der Pflanze zur Schädlingsbekämpfung.

„Beim Menschen soll es stoffwechselstabilisierend und verdauungsfördernd sein.“ Die angedrückten Kerne, so sein Tipp, seien überdies ein leckerer Pfefferersatz, etwa in einer Fleisch-Marinade, wo sie für eine „Kresse und Kapern ähnliche Schärfe“ sorgen. Frisch oder in Salz eingelegt, könnten sie direkt verzehrt, aber natürlich auch getrocknet werden. „Das soll gut gegen Sodbrennen sein“, sagt Schmitt. Selbst die getrockneten, zerbröselten Blätter seien als eine Art Grüntee-Zubereitung verwertbar. Er empfiehlt aufgrund der enthaltenen Bitterstoffe jedoch eine Mischung mit anderen Sorten wie Fenchel oder Salbei. „Diesem Tee wird eine Leber reinigende Wirkung nachgesagt.“ Im Tropenhaus wird auch geforscht: In Kooperation mit der Universität Bayreuth oder der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf (HSWT), geht man in Tettau unter anderem der Frage nach, welche tropischen Nutzpflanzen eignen sich für den Anbau und die Produktion unter Glas in Mitteleuropa? Und: Wie kann man Wachstums- und Produktionsprozesse für biologische Nahrungsmittel standardisieren und dabei gleichzeitig einen hohen Ertrag erzielen?

Mittlerweile wisse man „Boden, Licht und erst dann die Temperatur“ sind für eine erfolgreiche Kultivierung ausschlaggebend. Jüngstes Vorhaben: Papayas, Sternfrucht und Co. werden in Töpfen angebaut. So kann der vorher bestimmte Wasserverbrauch exakt dosiert und die Düngung auf ein Minimum reduziert werden. Außerdem können die Pflanzen so auch an Orten angebaut werden, die auf den ersten Blick ungewöhnlich erscheinen – zum Beispiel auf dem Dach eines Industrieunternehmens. „So werden Flächen genutzt, ohne neue Flächen zu vereinnahmen“, sagt Schmitt und hängt seinen Gedanken nach über eine Zukunft, in der Mensch und Natur wieder ein bisschen mehr in Einklang sind …

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