Nicht stehen bleiben…

Seit Anfang 2015 verfügt die Klinik Bavaria über die Intensivstation „Aware Care“

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Um Betroffenen und Angehörigen neue Lebensperspektiven aufzuzeigen, wird das Team vom Sozialdienst und einem Seelsorger unterstützt. Foto: Klinik Bavaria

Um Betroffenen und Angehörigen neue Lebensperspektiven aufzuzeigen, wird das Team vom Sozialdienst und einem Seelsorger
unterstützt. Foto: Klinik Bavaria

Wer einen Schlaganfall, eine Hirnblutung oder einen schweren Unfall erleidet, ist auf schnelle Hilfe angewiesen – nicht nur in der Notfallsituation. Auch die Basismaßnahmen der darauffolgenden Rehabilitation sollten zügig beginnen.

In Bad Kissingen ist das nun früher als sonst möglich. Im eigens gegründeten „Neurologischen Fach- und Privatkrankenhaus“ findet sich seit Anfang Januar eine in dieser komplexen Konzeption bisher einmalige intensivmedizinische Reha-Station.

Hier können nach einer Akutphase noch krankenhauspflichtige Patienten, die sich zum Beispiel im Wach-Koma oder an der Beatmung befinden, aufgenommen werden.

Um die schwerkranken neurologischen Patienten, die eine Therapie in einer herkömmlichen Rehabilitationseinrichtung noch nicht bewältigen könnten, kümmert sich ein Team von 36 Mitarbeitern.

Zu diesem gehören Fachpfleger für Intensivmedizin um die beiden Koordinatoren Eduard Büchs und Thomas Zier, sowie sechs Therapeuten und ein Ärzteteam, bestehend aus Chefarzt Dr. Franz Weilbach, dem Leitenden Oberarzt Dr. Lothar Lürken und Oberärztin Dr. Claudia Siebel.

Für Außenstehende sind kleine Fortschritte oft nicht spektakulär, für den Patienten aber bedeuten auch sie einen Gewinn an Lebensqualität. Foto: Klinik Bavaria

Für Außenstehende sind kleine Fortschritte oft nicht
spektakulär, für den Patienten aber bedeuten auch sie
einen Gewinn an Lebensqualität. Foto: Klinik Bavaria

„Wir wissen heute, dass in vielen Krankheitssituationen die Wiedergewinnung von verlorengegangenen Fähigkeiten umso besser gelingt, je früher man mit dem Trainieren von einzelnen Funktionen, wie Sitzen, Greifen, Kauen und Schlucken, beginnt“, erklärt Dr. Lürken die Intention der neuen, leisen Station, die neue Chancen für Patienten auftut.

Im Durchschnitt seien diese hier 75 Jahre alt. Die Altersverteilung sei jedoch nicht homogen und reiche von Anfang 20 bis Anfang 90.

„So unterschiedlich wie das Alter, sind auch die Diagnosen“, so der Facharzt für Anästhesie und Intensivmedizin. Bei älteren Patienten seien es meist Hirnschädigungen, hervorgerufen durch einen Sturz oder Gefäßveränderungen.

Bei jüngeren Menschen seien es eher komplexe Unfälle mit Kopfbeteiligung oder eine neurologische Erkrankung, die auch die Gehirnfunktion beträfen.

Als dritte Gruppe nennt der Mediziner mit rund 30 Jahren Berufserfahrung Patienten aller Altersstufen, die nach einer schweren Allgemeinerkrankung, wie einer Sepsis, einer großen Bauch- oder Herzoperation, auch „hirnorganische oder allgemeinneurologische Störungen“ zeigen.

Derzeit verfügt die neue Station „Aware Care“ über zehn Bettplätze für Patienten, die intensivmedizinische Versorgung benötigen.

Zehn weitere Betten entsprechen dem allgemeinen Krankenhausstandard. Eine Erweiterung um zehn Intensivbetten ist noch angedacht.

Doch wann ist es Zeit, vom Krankenhaus in die neue Intensivstation zu wechseln?

„Nach der Akutphase im erstversorgenden Krankenhaus kommen die Patienten mit Rettungswagen und Arztbegleitung oder mit dem Intensivtransporter zu uns. Bei den meisten liegt das Akutereignis zwei bis vier Wochen zurück“, so Lürken.

Der Kreislauf sei stabil, die Wunden versorgt, das ein oder andere Organ bedürfe noch der intensiven Unterstützung.

Besondere Planung zur Stressvermeidung: Die teils überlebenswichtige Technik ist für die Patienten weder seh- noch hörbar, aber schnell verfügbar. Foto: Klinik Bavaria

Besondere Planung zur Stressvermeidung: Die teils überlebenswichtige
Technik ist für die Patienten weder seh- noch
hörbar, aber schnell verfügbar. Foto: Klinik Bavaria

„Wir führen die Behandlung des Akutkrankenhauses weiter bzw. medizinisch zu Ende, während unsere abteilungseigenen Therapeuten gleichzeitig schon mit der notwendigen Rehabilitationsbehandlung
beginnen.“

Dazu gehören täglich mehrfach physiotherapeutische Maßnahmen, Schluck und Esstraining mit den Logopäden, Atemtraining zur Entwöhnung vom Beatmungsgerät, Ergotherapie zur Verbesserung der
Feinmotorik, Tiertherapie zur Verbesserung des Sozial- und Kommunikationsverhaltens und Musiktherapie zur Verbesserung der Wahrnehmungsfähigkeit.

Auch die gemütlich gestaltete Terrasse ist regelmäßige Anlaufstelle – selbst mit Beatmung. Eingesetzt werden die einzelnen Maßnahmen je nach Möglichkeiten des Patienten.

Besprochen wird das in fachübergreifenden Teamsitzungen. Meist blieben die Patienten einige
Wochen.

Auch Monate seien möglich, um wieder eine Lebensqualität zu erreichen, die für sie akzeptabel sei.

Nicht immer gelinge das, so der Mediziner. Für Patienten sei die Versorgung nach der intensivmedizinischen Reha ebenso individuell wie deren Lebenssituationen und Krankheitsbilder.

„Manche nehmen im Anschluss noch eine Rehabilitationsmaßnahme aus dem geriatrischen, neurologischen
oder orthopädischen Bereich wahr. Manche gehen mit pflegerischer Unterstützung direkt in die häusliche Umgebung, andere in eine stationäre Pflegeeinrichtung oder in eine Wohngemeinschaft für beatmungspflichtige Patienten.“

Bei allen Bemühungen und Annehmlichkeiten mahnt Dr. Lürken jedoch: „Neurologische Rehabilitation lebt nicht von schnellen Erfolgen.“

Sein Motto für die gemeinsame Arbeit mit seinen Kollegen ist daher einem chinesischen Sprichwort nachempfunden: „Fürchte dich nicht davor, langsam zu gehen, fürchte dich nur, stehen zu bleiben.“

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