Muster erkennen

Physiotherapeutin Kathleen Thonesen über Therapiemöglichkeiten bei nicht operierten instabilen Schultern

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Wahrnehmungsschulung: Die intensive Mitarbeit des Patienten ist
essenziell für den Behandlungserfolg. Er muss altes Verhalten ablegen. Foto: ©Archiv König-Ludwig-Haus Würzburg

„Oft sind es junge Menschen, denen die Schulter nach hinten unten herausfällt und die das teilweise auch bewusst tun können“, erklärt Physiotherapeutin Kathleen Thonesen. Der Leidensdruck der Patienten mit einer solchen instabilen Schulter ist immens. Aufgrund von Bindegewebsschwächen komme es häufig zu wiederkehrenden Luxationen (Verrenkung, Auskugelung). Doch eine Operation, das wisse man mittlerweile, sei in diesen Fällen meist kontraproduktiv.

„Britische Wissenschaftler haben herausgefunden, dass solche Patienten ehe Ansteuerungsprobleme haben, in diesem Falle der Außenrotatoren“, erklärt Physiotherapeutin Kathleen Thonesen aus dem König-Ludwig-Haus in Würzburg, die in London hospitiert hat. Seit rund 15 Jahren beschäftigen sie und ihre Kollegen sich nun schon mit diesem Thema. Ihr Ansatz, der dem Therapiekonzept von Dr. Ian Bayley vom Royal National Orthopaedic Hospital in London folgt, ist ein Kompaktkurs, in dem die Patienten ihre Muskulatur wieder gezielt einzusetzen lernen. Hilfe zur besseren Körperwahrnehmung und zur langfristigen Selbsthilfe also. Dabei, so erklärt sie im Gespräch mit der Lebenslinie, spiele der ganzheitliche Aspekt eine große Rolle. Komme ein Patient zu ihnen nach Würzburg, werde er sorgfältig in Augenschein genommen.

„Das Ganze beginnt bei den Füßen. Man betrachtet die Haltung. Gibt es ein überstreckbares Knie, sind die Hüften innenrotiert, wie bewegt sich die Wirbelsäule, wie sind der Stand und die Armbewegung?“, so Thonesen. Mittels des Scapular-Assistance-Tests (SAT) werde das Schulterblatt auf eine bestimmte Art mitbewegt. Schließlich würden die Muskeln in Augenschein genommen. „Welche sind gehemmt, welche überaktiv? Die Ursachen für diese Art der instabilen Schulter sind vielfältig“, erklärt Thonesen, die die auf mindestens zwei Tage angesetzte intensive Therapie federführend koordiniert.

Neben der Anlage zur Hyperlaxizität (Überbeweglichkeitssyndrom) oder wiederholten Mikrotraumen, könnten gerade bei Jugendlichen auch psychische Ursachen dahinterstecken. „Um helfen zu können, müssen die Gründe und die Bewegungsmuster erkannt werden“, so das Mitglied im Schulternetzwerk Deutschland. Das sei aufwendig. Und deshalb sei die Physiotherapie im König-Ludwig-Haus auch die einzige Einrichtung im „größeren Umfeld“, die das anbiete. Der Behandlungsgrundsatz des Teams, sei umfassend und langwierig. Erst würden Rumpf und Schultergürtel stabilisiert, der Patient aufgerichtet, dann gehe es an die Kräftigung der Schultermuskulatur. Nicht vergessen werden dürfe die Schmerzreduktion.

„Meist beginnen wir zügig mit dem Tapen, um Stabilität hineinzubekommen. Orthesen helfen bei Bedarf, in der Nacht zu stabilisieren, zu entlasten, ruhigzustellen und zu führen.“ Zudem werde die Ansteuerung der Außenrotatoren über gesunde Ausweichbewegungen angebahnt. Ziel sei es, Übungen und letztlich Bewegungsmuster zu entwickeln, die die Patienten gut im Alltag umsetzen können.

„Davon profitieren die Patienten ein Leben lang. Denn plötzlich wissen sie, was sie tun müssen, damit es ihnen besser geht.“

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