„Ich hätte allzu gern noch zwanzig gute Jahre in den Fingern…“, beklagte der renommierte Geiger Isaac Stern, damals schon über 70 Jahre alt, seine abnehmende Fingerfertigkeit beim Geigenspiel.
Entzündliche Gelenkveränderungen in beiden Händen sowie ein Karpaltunnelsyndrom rechts beeinträchtigten den Meister der Bogenführung bei seinem auf Feinmotorik angewiesenen Spiel.
Dennoch, so Professor Dr. Maria Schuppert, seit 2014 zuständig für Musikergesundheit an der Hochschule für Musik in Würzburg, weisen Berufsmusiker, die ihr Leben lang jeden Tag übten, weit über das Rentenalter, beachtliche Fähigkeiten auf. Die Leistung von Hobbymusikern dagegen falle im Alter schneller ab.
Use it, or loose it
Das ist dem Grundsatz geschuldet: „Use it, or loose it“, will heißen: Wenn du eine Fähigkeit nicht ständig trainierst, verlierst du sie. Durch täglichen sensomotorischen Stimulus beim Üben bewahren sich Berufsmusiker bis ins hohe Alter neuronale Plastizität (das ist die Eigenschaft von Nervenzellen, Synapsen oder ganzen Hirnarealen, sich in Abhängigkeit von ihrer Verwendung auf Gegebenheiten flexibel einzustellen).
Ein reduziertes, ausgewähltes Repertoire und intensiveres Üben als noch vor 20 Jahren tun ihr Übriges, so dass der Zuhörer das Gefühl hat, an Künstlern würden der Zahn der Zeit nicht nagen.
Musizieren tut also dem Körper gut. Das macht sich auch die Elementare Musikpädagogik (EMP) zu Nutze.
Ihre Leiterin an der Hochschule für Musik, Professor Barbara Metzger, singt regelmäßig mit Senioren im
Heim (seit 1996) und lässt auch Grundschüler und Senioren durch intergeneratives Musizieren voneinander profitieren (seit 2006).
Voneinander profitieren
„Das Singen der 75- bis 100-Jähirgen stärkt deren Selbstvertrauen durch das Einbringen von Erinnerungen und Erfahrungen ihres Liedwortschatzes. Aber auch geistige und körperliche Fitness“, erzählt Metzger von ihrer Arbeit.
Man könne auch mit 100 noch etwas Neues dazulernen, das sehe sie immer, wenn die Achtjährigen den 80-Jährigen etwas beibringen, das sie noch nicht konnten. Aber auch umgekehrt.
Die Kleinen profitieren ebenso von dem Erfahrungsschatz der Altenheimbewohner und staunen Bauklötze wie viele Strophen eines Liedes die „Oma“ auswendig kennt.
Auch die Veranstaltungsreihe des Mozartfestes setzt hier an und geht noch einen Schritt weiter mit dem Konzert für Menschen mit und ohne Demenz, das letztes Jahr erstmals stattfand und wegen des großen Interesses auch 2016 wieder auf dem Programm steht (Termin: 10. April um 15 Uhr im Exerzitienhaus Himmelspforten im Kloster Himmelpforten). Das Konzert ist des Mozartfestes Würzburg und wird unterstützt vom „Verein der Freunde des Exerzitienhauses der Diözese Würzburg Himmelspforten“.
Musikgeragogik
„Musikgeragogik“ (musikalische Bildung im Alter) befindet sich an der Schnittstelle von Musikpädagogik und Gerontologie und beleuchtet so das Fachgebiet von Professor Dr. Thomas Wosch, Studiengangleiter des Master für Musiktherapie für Menschen mit Behinderung und Demenz an Hochschule für angewandte Wissenschaften Würzburg-Schweinfurt (FHWS).
Der Studiengang, der laut Dr. Wosch weltweit nur in Würzburg angeboten würde, beschäftigt sich mit dem Einsatz von Musiktherapie bei Depressionen und Demenz sowie nach einem Schlaganfall. Nach ersten Würzburger Fallstudien komme es zu einer Symptomreduzierung bei Depressionen, die mit einer Stimmungsaufhellung einhergehe.
Ebenso scheine die Reha von Schlaganfall-Patienten mit Rhythmusübungen auf der Djembé schneller von statten zu gehen also ohne, berichtet Dr. Wosch. Frappierend sei auch der Zugang zu Demenzpatienten über ihr Musikgedächtnis, das laut Forschung auch im letzten Stadium der Krankheit noch aktiv sei.
So könne man über akustische Schlüssel, die im Gedächtnis Spuren hinterlassen haben, Vertrautheit schaffen und Brücken schlagen zu Alltagsfertigkeiten, die bereits in Vergessenheit geraten sind.
Die Vorträge fanden innerhalb des Wissenschaftsjahres 2015 unter dem Motto „Zukunftsstadt“ statt. Weitere Infos: www.wissenschaftsjahr-zukunftsstadt.de