Modisch tragbare Gesundheitsschuhe?

Orthopädie-Schuhmacher-Meister Nico Malms zu Schuhen bei Hallux valgus

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Orthopädie-Schuhmacher-Meister Nico Malms erklärt gemeinsam mit Einkäuferin und Prokuristin Andrea Wöber-Hübner, worauf es bei einem „gesunden“ Schuh ankommt. Foto: Nicole Oppelt

„Hallux valgus ist eine Abweichung der Großzehe in Richtung Kleinzehe. Oftmals unterwandert die Großzehe dabei die zweite Zehe, so dass diese auf ihr ‚reitet‘. Dadurch kommt es zu Druckstellen im Bereich der zweiten Zehe“, erklärt der Orthopädie-Schuhmacher-Meister Nico Malms aus dem Schuhhaus Schön & Endres. Der Fachmann kennt sich aus mit diesem im Ballenbereich schmerzhaften und weit verbreiteten Phänomen.

„Der Hallux valgus ist oftmals eine Reaktion darauf, wenn das Längsgewölbe des Fußes nicht stabil genug steht, so dass der Fuß nach innen knickt“, so Malms weiter. Die Folge: Die Großzehe bekommt Druck. Um dem auszuweichen, verlagert sie sich dann nach außen. Die Beugesehne der Großzehe, die unter dieser entlangläuft, reagiert und „sucht sich fortan den kürzesten Weg“.

Ohne Intervention verschlimmere sich der Zustand in den meisten Fällen und könne sogar bis hin zu schwerwiegenden Fuß-Deformationen führen. Für Betroffene sind handelsübliche Schuhe nicht selten ein Graus. Bei stark deformierten Füßen bleibt meist nur der orthopädische Maßschuh.

„Der Fuß wird gescannt, ein Papier- sowie ein Gips-Abdruck vorgenommen und schließlich ein dreidimensionales, vereinfachtes Abbild des Fußes, der so genannte Leisten entwickelt. Auf dessen Grundlage wird der Maßschuh dann individuell angefertigt“, erläutert der Fachmann. In weniger ausgeprägten Fällen kann ein sogenannter Bequem-Schuh Linderung verschaffen respektive Probleme verhindern. „Wenn man einen Schuh kauft, sollte er, je nach Zweck, erst einmal bequem sein“, sagt Nico Malms.

„Das heißt, wenn jemand bereits einen Ballen-Ansatz am Zeh hat, muss man auf die Situation im Zeh-Ballen aber auch auf die Stabilität im Fersenbereich achten.“ Der Grund: Kippt der Rückfuß nach innen, dann bekommt auch der Großzeh vermehrten Druck. „Es gibt drei Punkte, die beim Kauf grundsätzlich beachtet werden sollten“, ergänzt Einkäuferin Andrea Wöber-Hübner.

„Dämpfen, stützen, führen.“ Scheiden damit bestimmte Schuhe, etwa mit hohen Absätzen, aus? „Natürlich ist die Belastung für den Vor-Fuß hier ungleich größer“, sagt Malms. Gegen gelegentliches Tragen von High-Heels sei jedoch nichts einzuwenden. Problematisch wird es aber, wenn hohe Absätze quasi täglich zum Einsatz kommen. „Berufsträgerinnen“ sollten deshalb zumindest auf eine möglichst bequeme Variante achten. Drei bis dreieinhalb Zentimeter seien problemlos tragbar.“

Das andere „Extrem“ sind Barfuß-Schuhe. „Der gesunde Fuß, der keine Fehlstellungen hat, kann ihn ohne Weiteres tragen. Auch der trainierte Barfuß-Läufer hat hier kein Problem“, sagt der Experte. Heikel werde es bei vorhandenen Fehlstellungen. In diesen Fällen würden Barfuß-Schuhe nicht zu einer Verbesserung der Situation beitragen, da die nötige Korrektur, etwa durch eine Einlage, fehle.

Sind Bequemlichkeit und Gesundheit überhaupt mit „Mode“ zu vereinbaren? Ja, sind Nico Malms und Andrea Wöber-Hübner überzeugt. „Es gibt durchaus Sandalen, die einlagentauglich sind. Es gibt sogar die Möglichkeit, diese sehr gut in der Sohle zu verstecken. Es kommt natürlich immer auf den Grad der Fehlstellung an“, rät Nico Malms sowohl jungen Damen, die mit einem leichten Spreizfuß zu kämpfen haben, als auch älteren Frauen, die mit massiveren Problemen kommen.

Ausgestattet seien solche Bequem-Schuhe oft auch mit sehr dämpfenden Sohlen und einer „Rolle“, der sogenannten Vorfuß- oder Rückfuß-Entlastung, erklärt Andrea Wöber-Hübner. Die Sohle ist hier unter dem Ballenbereich stärker und verjüngt sich nach vorne hin zum Zehenbereich. Der Schuh rollt also leicht ab und entlastet so die Gelenke. Trendig geht es natürlich auch bei den Herbst- und Winterschuhen zu. Interessant sind zum Beispiel Stretch-Obermaterialien, die es auch mit wasserabweisendem Goretex gibt.

„Solche Schuhe passen sich dem Fuß schön an. Einlagen, die den Fuß führen, sind hier wunderbar einzubringen“, erklärt Wöber-Hübner. Auch Lederschuhe stellen eigentlich kein Problem dar. „Der Platz muss stimmen“, verweist die Fachfrau auf insgesamt zwölf verschiedene Weiten.

Wichtig zu wissen: Leder passt sich beim Tragen an und hält die Form. Ein solcher Schuh besitzt also nicht nur ein gutes Fuß-Klima, er wird mit der Zeit auch immer bequemer. Hat man sich einmal für einen Bequem-Schuh oder gar eine Maßanfertigung entschieden, gilt allerdings ein entscheidender Grundsatz: Nur kontinuierliches Tragen hilft.

* https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC2955707/

www.schoenundendres.de

Hallux Valgus
„Etwa 10 Millionen Menschen in Deutschland haben einen Hallux valgus. Rund 70.000 Operationen werden jährlich durchgeführt“, informiert das Fachportal „hallux.info“. Eine großangelegte Untersuchung* in den USA kam zu dem Ergebnis, dass mehr als zehn Prozent der Gesamtpopulation einen Hallux valgus hätten. Andere Studien gehen, je nach Alter, von deutlich mehr aus. Fest scheint zu stehen: „Mit zunehmendem Alter sind Frauen häufiger betroffen als Männer. Meist ist nur ein Fuß betroffen, selten beide“, so die deutsche Fachpublikation. Die beiden Experten au dem Schuhaus Schön & Endres raten zum präventiven Blick in das eigene Schuhregal. Sind die Schuhe nach innen oder nach außen getreten? „Dann ist es nicht nur der Schuh, der zeigt, dass etwas nicht stimmt, sondern es passiert etwas im Körper“, sagen sie. Der Schuh stehe schief, weil der Fuß schief darin stehe. Dann stünden auch das Knie und wiederum die Hüfte sowie der Rücken nicht gerade. „Gesundheitliche Folgen sind vorprogrammiert.“ Handeln ist unabdingbar, denn „unsere Füße müssen uns ein Leben lang tragen“.

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