Mit Mörike & Kaffeemühlen

Würzburger Autorin Pauline Füg bietet seit fast zehn Jahren „DemenzPoesie“ an

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Seit fast zehn Jahren arbeitet die Würzburger Dichterin Pauline Füg im Projekt „Demenz-
Poesie“ mit demenziell Erkrankten. Foto: ©Pat Christ

Wie ist das, eines Tages alt zu sein? Diese Frage hatte der Würzburger Dichterin Pauline Füg als Jugendliche Unbehagen bereitet. „Gerade deshalb entschied ich mich nach dem Abitur, ein Praktikum im Pflegeheim zu machen“, erzählt sie. Inzwischen ist es für sie fast normal, ins Pflegeheim zu gehen. Das liegt an ihrem Projekt „DemenzPoesie“, das sie vor knapp zehn Jahren mit der Palliativforscherin Henrikje Stanze ins Leben rief. Eine Demenz, glauben viele, führt unweigerlich in die Sackgasse. Nichts geht mehr weiter. Es geht allenfalls zurück.

„Doch das stimmt nicht“, sagt Füg. Durch die Kombination von Gedichten und anderen sinnlichen Reizen gelingt es ihr und Henrikje Stanze, selbst schwer beeinträchtigen Menschen zu mehr Lebensfreude und Lebensqualität zu verhelfen. Gleichzeitig wird durch die poetisch-therapeutischen „Sessions“ das, was noch an Gedächtnisleistung vorhanden ist, trainiert und erhalten. Das gelingt, ohne dass die alten Menschen etwas stur üben müssten. Sie stimulieren ihr Gedächtnis einfach durch die Interaktion mit den „Demenzpoetinnen“.

Die tragen manchmal eigene, vor allem aber altbekannte Gedichte vor. „Zum Beispiel von Schiller, Mörike oder Eichendorff“, erzählt Füg. Das tun sie in einer überdeutlichen, exaltierten Weise. Was in den Gedichten thematisiert wird, erleben die Senioren danach durch weitere Sinne. Füg: „Geht es zum Beispiel um das Thema ‚Herbst’, nehmen wir ein Herbstblatt, legen es in die Hände oder streichen damit über den Arm.“ Manchmal kommt auch die dekorative Kaffeemühle aus dem Seniorenheim zum Einsatz.

In einem weiten Radius rund um Würzburg bietet Pauline Füg „Sessions“ und Fortbildungen zum Thema „DemenzPoesie“ an. Nicht nur Seniorenheime, sondern auch Museen sind daran interessiert. Auch das Fachpersonal von Kliniken wünscht sich immer häufiger Knowhow, wie auf poetische Weise mit demenziell veränderten Menschen umgegangen werden kann. Füg: „Einmal haben wir sogar mit Wachkomapatienten gearbeitet.“ Ein großer Wunsch von Pauline Füg und Henrikje Stanze wäre es, valide Daten zu den Effekten der von ihnen – nach dem Vorbild des amerikanischen AlzPoetry-Erfinders Gary Glazner – kreierten Therapieformen zu erhalten.

Seit längerem bemühen sie sich um ein Forschungsprojekt. Doch es ist schwer, Geldgeber zu finden. Von welcher Qualität die „DemenzPosie“ der beiden Perfomerinnen ist, sieht jeder, der einmal an einer „Session“ teilgenommen hat. „Die alten Leute blühen auf“, sagt Füg.

Highlight jeder „Session“ ist der Vortrag des Abschlussgedichts. Das entsteht im Laufe der „demenzpoetischen“ Stunde aus den Kommentaren und Ausrufen, die als Reaktion auf das, was Pauline Füg und Henrikje Stanze vortrugen, fragten oder machten, spontan geäußert wurden. Die alten Menschen erkennen ihre Äußerungen vom Anfang der Stunde wieder. Und freuen sich riesig, dass sie festgehalten wurden.

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