Menschen den Rücken stärken

Der Wirbelsäulenspezialist und Orthopäde Dr. Florian Maria Alfen rückt dem Rückenschmerz mit medizinischer Trainingstherapie (MTT) zu Leibe

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„Kranker Arzt – kranker Patient“, so der Titel des Buches, an dem Dr. Alfen gerade schreibt. Hier geht es nicht um Schuldzuweisungen, sondern um Erklärungen für die Verzweiflung auf beiden Seiten (von Arzt und Patient), die einem „kranken“ System geschuldet sind. Foto: Dr. Alfen

„Kranker Arzt – kranker Patient“, so der Titel des Buches, an dem Dr. Alfen gerade schreibt. Hier geht es nicht um
Schuldzuweisungen, sondern um Erklärungen für die Verzweiflung auf beiden Seiten (von Arzt und Patient), die einem
„kranken“ System geschuldet sind. Foto: Dr. Alfen

„Alle pathologischen Veränderungen der Wirbelsäule haben ihren Ursprung im Abbau der Tiefenmuskulatur“, sagt der gebürtige Aschaffenburger Dr. Florian Maria Alfen.

Daher plädiert der renommierte Wirbelsäulenspezialist, der mit seinem endoskopischen Operationsverfahren an der Wirbelsäule weltweit unterwegs ist, für eine Vermeidung von OPs.

Er setzt in seiner Privatpraxis in Würzburg auf die vom norwegischen Krankengymnasten Rolf Gustavsen initiierte gerätegestützte Therapieform MTT (Medizinische Trainingstherapie), die ihren Einsatz in der Rehabilitation sowie in der Prophylaxe von Rückenschmerzen findet.

Chirurgen in Deutschland führen zwei- bis dreimal so oft Operationen an der Wirbelsäule durch wie ihre Kollegen in Frankreich oder England, schreibt Focus online.

Laut Studien haben die vorgenommenen Rücken-OPs in den letzten Jahren in Deutschland um 40 Prozent zugenommen.

Diese Entwicklung kritisiert Dr. Alfen enorm. Eine OP kostet zwischen 3.500 und 10.000 Euro, für die
konservative Behandlung gibt es für die Ärzte rund 35 Euro im Quartal.

Da liege der Verdacht nahe, dass die Entscheidung für eine OP oftmals aus einer wirtschaftlichen Indikation heraus getätigt wird, so das Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Wirbelsäulenchirurgie, Dr. Alfen.

Hinzu komme die Ungeduld vieler Patienten, wie der Wirbelsäulenspezialist und Autor Martin Marianowicz in seinem 2010 veröffentlichten Buch „Aufs Kreuz gelegt“ betont.

90 Prozent der Rückenpatienten würden in zwei bis drei Monaten mit konservativen Therapien auch beschwerdefrei sein.

Um jedoch schneller wieder arbeiten zu können, entscheiden sich viele für eine OP.

Ein Übriges tue die „Bildergläubigkeit“ von Ärzten und Patienten, so Dr. Alfen.

Fotonachweis: Dr. Alfen

Fotonachweis: Dr. Alfen

Dass man auch mit schlechten „Bildern“ gut leben könne, sieht der ehemalige stellvertretende Chefarzt und leitende Oberarzt für Wirbelsäulenchirurgie an der Alpha-Klinik in München jeden Tag in seiner Praxis in Würzburg.

„Eine Kernspinaufnahme, so gut das Verfahren auch ist, darf nie alleinig Ausschlag für eine OP geben“, betont Dr. Alfen.

Die einzigen Anzeichen an der Wirbelsäule doch zu operieren, seien für ihn Blasenoder Darmschwäche, Lähmungserscheinungen oder unerträglicher Dauerschmerz über mehr als sechs Monate.

„Dann aber bitte nicht offen, sondern endoskopisch!“ Es gäbe nur ganz wenige Ausnahmen, wo eine offene OP an der Wirbelsäule noch indiziert wäre, so Alfen.

Bei 90 Prozent seiner Patienten setzt der von der MTT überzeugte Orthopäde auf progressiv-dynamisches Muskeltraining mit Cervicalextensor- (für die Halswirbelsäule) und Lumbalextensor-Maschinen (für die Lendenwirbelsäule).

Die medizinische Trainingstherapie setzt anders als herkömmliche Physiotherapie auf eine individuell dosierte Belastung der Tiefenmuskulatur.

Der Widerstand wird nach ausführlicher Anamnese durch Dr. Alfen festgelegt und anschließend durch sein
Praxisteam (studierte Physiotherapeuten und Sportwissenschaftler) zusammen mit dem Patienten an den Geräten umgesetzt.

Nach neun Wochen (mit zwei Trainingseinheiten á 30 bis 60 Minuten pro Woche), stelle sich dann eine erhebliche Besserung bis Schmerzfreiheit ein, schwärmt Dr. Alfen, externer Berater der deutschen Ski- und Handball-Nationalmannschaft.

Und er weiß wovon er spricht, denn er hat es am eigenen Leib erfahren – nach einem Bandscheibenvorfall 2001: „Damals habe ich jeden Tag operiert und dachte, ich wüsste schon alles über den Rücken. Weit gefehlt! Alles, was ich bis dato kannte und ausprobiert habe, hat bei meinem eigenen Vorfall nicht geholfen. Per Zufall stieß ich auf die MedX-Maschinen in München und machte eine konservative Therapie unter ärztlicher Aufsicht. Es hat funktioniert und ich war schmerzfrei ohne OP!“

Ziel der MTT ist nicht nur Kraftaufbau, sondern die unbehinderte und schmerzfreie Durchführung von Alltagsaktivitäten in Beruf und Freizeit. Foto: Dr. Alfen

Ziel der MTT ist nicht nur Kraftaufbau, sondern die
unbehinderte und schmerzfreie Durchführung von
Alltagsaktivitäten in Beruf und Freizeit. Foto: Dr. Alfen

Seitdem sei er fast missionarisch in Sachen MTT unterwegs: „Ich weiß nun mit Sicherheit, der Körper kann aus eigener Kraft einen Vorfall resorbieren, wenn die Tiefenmuskulatur so fest ist, dass sie den Druck von der Bandscheibe und den Wirbelgelenken nimmt!“

Gerade bei Bandscheibenvorfällen spiele die Tiefenmuskulatur eine große Rolle und diese werde, laut einer Studie der Uni Köln (mit 40.000 Probanten), mit herkömmlicher Physiotherapie nicht nachhaltig erreicht. Rund 50.000 Euro kostet so eine Maschine zum Trainieren der Tiefenmuskulatur.

Dr. Alfen hat einen ganzen Maschinenpark in seiner Praxis stehen. Rund 100 Stunden würden seine Mitarbeiter geschult, bevor sie einen Patienten dort hineinsetzen dürfen.

Alles geschehe in enger Absprache und Kontrolle durch ihn. Trotz der Tatsache, dass der Therapiebereich der Praxis mit seinen Geräten einem Fitnessstudio ähnle, sei er doch weit mehr als das, betont der engagierte Verfechter dieses Trainings.

Auch wenn Dr. Alfen eine Privatpraxis führt, setzt er sich mit großer Vehemenz dafür ein, dass dieses Training in naher Zukunft möglichst vielen Menschen zugänglich gemacht wird.

Erste Schritte habe er durch eine Kooperation mit dem Automobilzulieferer brose bereits getätigt: im Firmensitz in Coburg stehen seit einem halben Jahr eine Cervicalextensor- und eine Lumbalextensor-Maschine, auf denen Betriebsangehörige unter Aufsicht der Werksärzte regelmäßig trainieren.

Die Maßnahmen im Rahmen von Beruflichem Gesundheitsmanagement (BGM) sollen den Mitarbeitern im wahrsten Sinne des Wortes den Rücken stärken und sie so zu gesunden und verlässlichen Partnern des Unternehmens machen.

Eine „Win-win-Situation“ also für alle Beteiligten!

Das Interview mit dem Wirbelsäulenspezialisten und Orthopäden, Dr. Florian Maria Alfen, führte Lebenslinie-Chefredakteurin Susanna Khoury

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