Sucht ist ein quer durch alle Gesellschaftsschichten verbreitetes Phänomen, vielgestaltig und schier undurchdringbar. Bestimmte Muster sind jedoch erkennbar, wenn man das Suchtverhalten von Männern und Frauen vergleicht. Erfahrungen auf diesem Gebiet kann Thomas Bausch, Leiter und Chefarzt der Hephata-Klinik im unterfränkischen Weibersbrunn, reichlich teilen. Mit seinen Kollegen betreut der Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie in erster Linie alkohol- und medikamentenabhängige Menschen auf ihrem Weg in die Abstinenz.
Dabei habe sich gezeigt, dass beide Geschlechter aktiv Selbstverleugnung betreiben und sich ihres eigenen pathologischen Verhaltens im Anfangsstadium ihrer Abhängigkeit viel zu lange nicht bewusst sind, so der erfahrene Psychiater der Suchtklinik.
Wille zur Veränderung
Während Frauen den Arzt aufsuchen, um sich Medikamente verschreiben zu lassen, leugnen Männer ihre Krankheitssymptome oft lange. „Ein erster Schritt kann die Durchführung eines einfachen Selbsttests in Form eines Fragebogens sein, um festzustellen, ob man süchtig ist oder nicht“, so Bausch. Dazu gehören etwa der sogenannte CAGE-Test¹, die ICD 10 Fragen² oder die AUDIT³ Fragen. In jedem Fall sieht Thomas Bausch die Selbsteinsicht und den Willen zur Veränderung als Voraussetzung für eine erfolgreiche Therapie. Wer an seiner Klinik behandelt werden möchte, muss vorher eine Entgiftung durchlaufen haben.
„Wie bei jeder Änderung des eigenen Verhaltens ist der eigene Wille zur Veränderung der Motor der Genesung. Auch hier sind Schwankungen ganz normal, doch gute Therapeuten wissen damit umzugehen.“ In der Mehrzahl falle es Frauen leichter, sich auf den Prozess der Selbsteinsicht einzulassen.
Für Männer sei es mitunter eine große Herausforderung, sich auf ihre Schwächen zu besinnen und ihre Gefühle zuzulassen respektive anzunehmen.
Individuelle Therapie
Ist dieser Weg beschritten, erfolgt die eigentliche Therapie. Eine Standardbehandlung gibt es dabei laut Bausch nicht, viel mehr auf den einzelnen Menschen zugeschnittene Therapiepläne. „Wenn jemand etwa über längeren Zeitraum bereits nicht mehr erwerbstätig ist, müssen die Schwerpunkte ganz anders gesetzt werden, als wenn jemand aus einer beruflichen Überforderungssituation heraus in die Sucht geraten ist.“ Um bestehenden Belastungen, die zum Teil auch geschlechterspezifisch sind, begegnen zu können, bietet die Fachklinik in Weibersbrunn entsprechende Behandlungsmodule an. Dazu gehört etwa eine wöchentlich stattfindende reine Frauengruppe.
„Dies entspringt der Tatsache, dass Frauen viel öfter mit Doppel- oder Dreifachbelastungen im familiären Umfeld zu kämpfen haben als Männer und somit auch ganz andere Rahmen ermöglicht es den Frauen sich zu bestimmten Sujets leichter zu äußern und sich möglicherweise stärker zu öffnen und auszudrücken“, begründet der Klinikchef dieses genderspezifische Angebot.
Dankbare Annahme fänden unter den Patientinnen auch Achtsamkeitsübungen und moderate Sportangebote. Männliche Patienten profitierten dem gegenüber eher von einer Wiederannäherung an frühere sportliche Erfahrungen oder andere Freizeitaktivitäten, die sie bereits vor ihrer Trinkzeit gerne gemacht haben. Als zentrale Anlaufstelle bietet sich, für eine Erstberatung oder die Beantragung einer Reha-Maßnahme, die Aschaffenburger oder Würzburger Fachambulanz an, welche Betroffene ebenso wie Angehörige informiert und berät.
Anmerkungen: ¹CAGE bedeutet: Cut down, Annoyed, Guilty, Eye-opener, ²Alkoholtest nach ICD 10 Leitlinien, ³AUDIT bedeutet: Alcohol Use Disorders Identification
Das Interview mit Thomas Bausch, Leiter und Chefarzt der Hephata-Klinik im unterfränkischen Weibersbrunn, führte Lebenslinie-Chefredakteurin Susanna Khoury.