Lotsin durch schwierige Zeiten

Die Breast-Care-Nurse oder warum „das Kümmern“ um Brustkrebs-Patientinnen so notwendig ist am Beispiel der Sinntalklinik in Bad Brückenau

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„Als Breast-Care-Nurse ist es mir wichtig, durch individuelle Betreuung, Aufklärung und Beratung zur Verbesserung der Lebensqualität und des Wohlbefindens unserer Patientinnen beizutragen“, so Christiane Mathes. Foto: ©flownet Claus Speier (www.flownet.de)

Laut Robert Koch-Institut erkranken etwa 70.000 Frauen in Deutschland jährlich an Brustkrebs. Mit rund 17.000 Todesfällen gehört das Mammakarzinom immer noch zu der häufigsten Krebserkrankung weltweit bei Frauen (jährlich 1,5 Millionen neue Fälle) und somit zu einer der dringendsten Herausforderungen der modernen Medizin*.

Dass hierzulande Brustkrebspatientinnen glücklicherweise inzwischen eine 80-prozentige Überlebensrate aufweisen, ruft andere Maßnahmen, vor allem die Verbesserung der psychoonkologischen Versorgung, also der psychologischen und psychosozialen Betreuung Krebskranker und deren Angehöriger, auf den Plan**.

In der Sinntalklinik in Bad Brückenau, wo Brustkrebs-Patientinnen eine Anschlussbehandlung erfahren, übernehmen das seit sechs Jahren unter anderem sogenannte Breast-Care-Nurses (BCN).

Empathie & Einsatz

Seit den 1980er-Jahren ist die „Brustschwester” oder „Pflegeexpertin für Brusterkrankungen” im angloamerikanischen Raum etabliert und auch in Deutschland wird das Berufsbild immer selbstverständlicher. Der englische Begriff greift in diesem Fall besser, da er „Care“, das „Kümmern“ beinhaltet, das für den Beruf wegweisend ist.

„Die Breast-Care-Nurse muss großes Einfühlungsvermögen haben. Gerade die Unterstützung von onkologisch Erkrankten verlangt den BCN viel Kraft und Einsatzfreudigkeit ab. Gleichzeitig ist die Dankbarkeit und Wertschätzung für die entgegengebrachte Hilfeleistung sehr hoch und erfreulich,“ erzählt Christiane Mathes (53), BCN in der Sinntalklinik, aus ihrem Alltag. Die BCN begleiten Patientinnen und auch deren Angehörige wie eine Art Lotsin durch schwierige Zeiten, die oft geprägt sind von Existenzängsten, Fragen zum weiteren Verlauf der Krankheit und Fragen nach körperlichen Beeinträchtigungen wie Haarverlust oder dem Umgehen mit einer Brustentfernung.

„Die häufigsten Anliegen der Patientinnen beziehen sich auf die Folgen der Strahlentherapie bis hin zu Strahlenschäden, auf den Brustaufbau und auf verschiedene Arten von Hilfsmitteln,“ erzählt Schwester Christiane. Generell gelte „operativ so wenig wie nötig“ vorzunehmen und immer auch die Vorstellung des Falls in einer Tumorkonferenz, sagt Harald Hess (60), Gynäkologe mit eigener Praxis in Gemünden am Main und Konsiliararzt der Sinntalklinik. „2018 lag die brusterhaltende Therapie geschätzt bei über 90 Prozent!“.

Und auch die Überlebensrate (fünf Jahre nach Diagnosestellung) mit durchschnittlich über 80 Prozent ist erfreulich positiv. Obwohl Mammografie-Screening von vielen Frauen zunehmend kritisch beäugt wird, da es immer wieder falsch-positive Ergebnisse generiert, ist es dennoch sinnvoll und wenn ja für wen? „Mammographie-Screening ist sinnvoll, wenn die Patientin von ihrem Gynäkologen über die möglichen falschen positiven Befunde aufgeklärt ist; auch sollte das mögliche Auftreten von Brustkrebs zwischen zwei Screening-Terminen besprochen worden sein, und dass Mammographie nicht die monatliche Selbstuntersuchung der Frau ersetzen kann“, so Hess.

Jede achte Frau erkrankt

Chefarzt Prof. Dr. Dirk Engehausen der Sinntalklinik in Bad Brückenau (links) und Gynäkologe Harald Hess, Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Konsiliararzt der Sinntalklinik, niedergelassen in eigener Praxis in Gemünden am Main (rechts). Foto: ©Christoph Haberditzl

Die Brustkrebserkrankung ist die häufigste neu aufgetretene Karzinomerkrankung bei Frauen. Mittlerweile erkrankt etwa jede achte Frau daran***. Die Behandlung umfasse verschiedene Therapieoptionen, die einzeln oder aber auch in Kombination angewandt werden, erklärt Prof. Dr. Dirk Engehausen, Chefarzt der Sinntalklinik (59): „Dies sind die operative Therapie, die Strahlentherapie, die hormonelle medikamentöse Therapie und die Chemotherapie. Diese Therapieformen sind mittlerweile individuell auf jede einzelne Patientin ausgerichtet. Alle Therapieformen haben Nachwirkungen, einige auch Komplikationen. Das Wissen über die Auswirkungen der Therapie wird durch die BCN für die Versorgung der Patientinnen bezüglich der körperlichen, psychischen und auch sozialen Belange eingesetzt“, so der Leitende Medizinaldirektor.

„Die Spezialisierung der Sinntalklinik auf die Anschlussheilbehandlung und Rehabilitation von Patienten aus den onkologischen Bereichen der Urologie, Gynäkologie und Abdominalchirurgie brachte es mit sich, dass ein hochkompetentes Team für diese Erkrankungen aufgebaut werden musste. Dazu gehören eben auch die Breast-Care-Nurses“, betont Professor Engehausen. BCN seien spezielle weitergebildete Krankenschwestern, die eine Zusatzausbildung für das Krankheitsbild Brustkrebs in mehreren Modulen mit Abschlussprüfung absolviert haben, so Engehausen.

„Dabei wurden sie für die Beratung und Begleitung der von dem Krebs betroffenen Frauen und deren Angehörigen durch die Deutsche Gesellschaft für Gesundheits- und Pflegewissenschaft in Essen geschult und an benachbarten Brustzentren hier in der Region in der Praxis angeleitet.“ Jede Patientin habe bei Aufnahme einen Termin bei der BCN, betont der Chefarzt der Sinntalklinik.

Die Aufgabenstellung sei hier etwa die Befunderhebung, allgemeine Beratung, Brustpflege, Hinweise auf Selbsthilfegruppen oder auch konkret Beratung zu Hilfsmitteln wie Prothesen, Ausgleichsteilen oder speziellen BHs, die notwendig sein können. Die Betreuung der Patientinnen durch die BCN erfolge in der Sinntalklinik immer im persönlichen Gespräch, da telefonische Beratung individuelle Zuwendung, eben das Kümmern, nicht leisten könne, so der empathische Professor.

Quellen:
*Robert Koch-Institut/Zentrum für Krebsregisterdaten: https://www.krebsdaten.de/Krebs/DE/Content/Publikationen/Krebs_in_Deutschland/krebs_in_deutschland_node.html,
**Bericht zum Krebsgeschehen in Deutschland 2016. Zentrum für Krebsregisterdaten im Robert Koch-Institut (Hrsg). Berlin, 2016, https://www.krebsdaten.de/Krebs/DE/Content/Publikationen/Krebsgeschehen/Krebsgeschehen_node.html,
***International Agency of Research on Cancer: http://gco.iarc.fr/today/data/factsheets/populations/276-germany-fact-sheets.pdf

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