Lebenslinien der Bäume

Baumlebensläufe im Gramschatzer Wald: die Mutter des Waldes, die milde Linde oder die Totlebendige

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„Der Wald wirkt positiv auf uns.“: Gemeinsam mit Förster Wolfgang Graf geht es im Wald auf Spurensuche. Foto: Nicole Oppelt

„Der Wald wirkt positiv auf uns.“: Gemeinsam mit Förster Wolfgang Graf geht es im Wald auf Spurensuche. Foto: Nicole Oppelt

Raus aus der Zivilisation, entspannen, Neues entdecken und vor allem einen anderen Blickwinkel einnehmen: Die Gründe, um sich für ein paar Stunden in den Wald zurückzuziehen, sind vielfältig. Fest steht: Ab und an muss unser „Multitasking im Sekundentakt“ Zeiträumen weichen, die Platz zum Durchatmen schaffen.

Im Walderlebniszentrum Gramschatzer Wald geht das Team um Leiter Wolfgang Graf diesem Bedürfnis nach.

Der erfahrene Förster nimmt seine Besucher an die Hand und führt sie unter diversen Themenstellungen tief hinein in sein Refugium. „Baumlebensläufe“ ist eine dieser Führungen, die zum Perspektivenwechsel einlädt. „Jeder Baum hat sein eigenes Leben und kann uns etwas erzählen“, ist er überzeugt.

Gut zehn Stationen umfasst der etwa zwei Stunden lange Rundweg. Er führt vorbei an schattig-lauschigen Plätzen, lichtdurchfluteten Weggabelungen und kühlen Pfaden. Und dann trifft man auf ausgewählte Bäume, die ihre ganz eigenen Geschichten erzählen.

Im Laufe des Parcours treffen die Wanderer etwa auf die „Totlebendige“ Buche. Eigentlich wäre sie heute fast 200 Jahre alt. Doch der einst stolze Baum wurde nach einer Verletzung am Stamm durch einen Pilz im Holz geschwächt. Ein Sturm zwang sie schließlich vor einigen Jahren gänzlich in die Knie. Die gefallene „Mutter des Waldes“, wie die Buche auch genannt wird, erfüllt nun andere Aufgaben.

Unzählige Insekten haben auf und in ihr einen neuen Lebensraum gefunden. Seltene Pilze, wie der ästige Stachelbart, lassen sich hier nieder. Sie ernährt die Vögel und gibt den Kohlenstoff – anders als über den Weg als Brennholz – wohldosiert an die Atmosphäre ab. Der einst fruchtbare Baum darf hier noch einige Jahre liegen.

„So sieht Biodiversität aus“, sagt Graf. Weiter geht es Richtung „milde Linde“, die vor gut 150 Jahren ihr Leben begann. „Als Brennholz ist sie nicht beliebt, wohl aber bei den Holzschnitzern“, verrät der Förster mit einem Verweis auf Tilman Riemenschneider, der sich einer Linde einst auch beim Marienaltar im Herrgottstal bei Creglingen bedient habe.

Fichten, Lärchen, Buchen, ein fruchtiger Speierling, eine Eiche und auch eine Douglasie säumen den Pfad. Sie alle, ob eingewandert oder heimisch, haben ihre Eigenarten. So manch einer unter ihnen „träumt“ von einer „Zukunft“ als Wertholz oder entsinnt sich der vergangenen Jahrhunderte, als Soldaten unter ihnen rasteten.

Während einige von ihnen schon jetzt unter dem Klimawandel leiden, profitieren andere in Zukunft davon. Die meisten „freuen“ sich jedoch, wenn sie Unterstützung von Förstern bekommen, die zum Beispiel für freie Kronen sorgen.

Grafs Arbeitsplatz – der Wald – wird von ihm und seinen Kollegen deutschlandweit mit viel Fingerspitzengefühl, Weitsicht und nicht nur unter ökonomischen Gesichtspunkten behandelt. Der Laubholz-Anteil ist in den vergangenen 30 Jahren deutschlandweit mit fast fünf Prozent Zunahme deutlich gestiegen.

Insgesamt liegt er nach Auskunft der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald aktuell bei 43 Prozent. Das Bemühen um Artenvielfalt ist nicht nur auf der Fränkischen Platte zu beobachten.

Jegliches Tun ist von langfristigem Ansatz bestimmt. „Hier wird pfleglich mit dem Wald umgegangen. Denn die Auswirkungen dessen, was wir heute säen, sind erst in 50 bis 100 Jahren sichtbar.“

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