Laborwerte & halbe Wahrheiten

Dr. Susann Walz über die Aussagekraft eines Blutbildes und seine richtige Lesart

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„Man darf nicht nur den Laborwerten trauen, sondern muss diese noch durch andere Untersuchungen verifizieren oder falsifi zieren“, so Dr. Susann Walz. Foto: Klinikum Main-Spessart

„Man darf nicht nur den Laborwerten trauen, sondern muss diese noch durch andere Untersuchungen verifizieren oder falsifizieren“, so Dr. Susann Walz. Foto: Klinikum Main-Spessart

Viel zu viele Leukozyten oder ein zu hoher Cholesterinwert: Die Ergebnisse eines Blutbildes können Patienten schnell verunsichern. Denn die Interpretation der nüchternen Zahlenkolonnen ist für Laien alles andere als einfach. Hier ist jede Menge Fachwissen gefragt.

„Der Arzt versteht unter einem Blutbild erst einmal nur den Status der Blutzusammensetzung – und zwar nur des blutbildenden Systems“, erklärt Dr. med. Susann Walz, leitende Oberärztin am Klinikum Main-Spessart in Lohr.

Im Fokus stünden hier die roten Blutkörperchen (Erythrozyten), die Sauerstoffträger. Daneben seien die weißen Blutkörperchen (Leukozyten), die „Abwehrpolizei des Körpers“, sowie die Blutplättchen, also die Blutbestandteile, die für die Gerinnung mitverantwortlich sind, von Interesse. „Das ist das sogenannte kleine Blutbild“, erklärt die Ärztin für Innere Medizin (Internistin/Kardiologin und Intensivmedizinerin).

Beim großen Blutbild betrachte man dann die ganz genaue Zusammensetzung der weißen Blutkörperchen. Unter anderem könnten Rückschlüsse auf einen eventuellen Virusinfekt oder einen bakteriellen Infekt gezogen werden.

„Im Volksmund wird das Blutbild allgemein Blutuntersuchung genannt, die daneben auch viele andere Parameter zur Leber-, Nieren- und Bauchspeicheldrüsenfunktion mit einschließt.“ Je nach Untersuchung wird anderes Blut benötigt. Entweder reicht ein „kleiner Pieks“, etwa um den Blutzucker zu bestimmen.

Für umfassende Laboruntersuchungen ist die Blutentnahme aus einer Vene oder Arterie nötig. Beim kleinen Blutbild erhält der Arzt unter anderem darüber Aufschluss, ob die Leukozyten erhöht sind. Das kann bei Entzündungen oder Allergien der Fall sein.

Eine extreme Erhöhung tritt etwa bei Leukämie auf. Einige Leukämiearten können aber auch durch extrem niedrige Leukozythen angezeigt werden.

Keine Pauschalaussagen

„Tatsächlich kann man keine Pauschalaussage treffen“, sagt die Medizinerin. „Man muss sich die Verteilung der weißen Blutkörperchen genau ansehen und braucht unter Umständen Zusatzuntersuchungen.“

Ärzte unterscheiden bei der Auswertung übrigens nach Mann und Frau. Auch das Alter der Patienten spiele eine Rolle. In fortgeschrittenen Jahren käme die Blutbildung etwas mehr zur Ruhe, dürfe aber
dennoch nicht aus der Norm geraten.

„Generell gelten für Kinder und Erwachsene andere Grenzwerte.“ Doch wann ist ein Blutbild überhaupt angeraten? Angefordert werde ein solches zum Beispiel bei ausgeprägter Müdigkeit und Abgeschlagenheit, die trotz Ausruhen oder langen Urlaubs anhält.

Ungewollter Gewichtsverlust und anhaltendes Fieber lassen den Arzt ebenfalls aufhorchen.

Eine Blutuntersuchung hat natürlich auch Grenzen – etwa bei der Herzinfarkt-Diagnose. „Im solchen Fall kann man die Herzenzyme im Blut bestimmen. Hierzu wurden bestimmte Algorithmen entwickelt, um einen Herzifarktausschluss durchzuführen“, erklärt die Ärztin.

„Damit wird aber nur der akute Herzinfarkt ausgeschlossen.“ Würde nach einer bestimmten Zeit noch einmal eine Kontrolle der Herzenzyme durchgeführt, und würden diese dann noch immer negativ auffallen, dann könne man mit Sicherheit einen akuten Infarkt ausschließen.

„Was man nicht ausschließen kann, ist, dass die Herzkranzgefäße schon zu einem gewissen Prozentsatz
verschlossen sind. Nur die akute Schädigung des Herzens kann in der Blutuntersuchung festgestellt werden.“

Ähnliche Grenzen setzt auch die Diagnose „Dickdarm-Krebs“. „Hier werden einschlägige Tumormarker bestimmt“, so Dr. Walz. „Wenn sie stark erhöht sind, besteht ein dringender Verdacht. Wenn
Tumormarker nicht erhöht sind, schließt das den Tumor umgekehrt nicht aus.“

Jeder Parameter habe ein gewisses Risiko bei Kranken, diesen Tumor nicht zu erkennen. Es gebe bei Gesunden aber auch das Risiko einen solchen falsch zu erkennen. Laborwerte sind demnach nur ein Baustein in der gesamten Untersuchung des Patienten.

Nicht nur Laborwerten trauen

„Man darf nicht nur den Laborwerten trauen, sondern muss diese noch durch andere Untersuchungen
verifizieren oder falsifizieren.“

Bei Diabetes sind verschiedene Kontrollen angeraten. Zum einen gibt es den Blutzucker-Check, den der Patient selbst ganz einfach mit einem kleinen Pieks in Finger oder Ohrläppchen durchführt. Daneben gibt es die Langzeitwerte.

„Mit diesen können wir überprüfen, ob die Angaben des Patienten richtig sind. Wurde regelmäßig Insulin genommen? Wurde die Ernährung wirklich umgestellt? Hier wird die Zuckereinstellung der letzten sechs bis acht Wochen ersichtlich.“

Das Thema Blutbild und dessen Lesart ist eine sehr diffizile Angelegenheit: „Man sollte sich als Patient nicht von fettgedruckten oder rot gedruckten Zahlen verunsichern lassen, sondern die Zahlen mit seinem behandelten Arzt gemeinsam erörtern.“

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