Ein gesunder Mensch kann auch Temperaturen deutlich über 40 Grad Celsius für längere Zeit überstehen. Anders sieht dies etwa aus bei älteren Menschen mit Herzkreislauf-Erkrankungen. Im Hitzesommer 2018, dem heißesten seit Beginn der Wetteraufzeichnungen in Deutschland, stieg die Zahl der Hitzetoten massiv an. Und auch auf andere Art wirkt sich der Klimawandel auf die Gesundheit aus: Manche tropische Stechmücke fühlt sich inzwischen hierzulande heimisch. Zeckenarten wandern ein und übertragen neue Krankheiten. Auch die erhöhte Mobilität von Menschen wie Tieren trägt dazu bei, dass sich Krankheitserreger rasanter verbreiten. Trauriger Beleg: die Corona-Pandemie. Mit diesen Phänomenen beschäftigen sich Tropenmediziner – erste Anlaufstellen in Bayern sind das Tropeninstitut München sowie, im Unterfränkischen, die Fachabteilung Tropenmedizin am Klinikum Würzburg Mitte.
Deren Chefarzt, Professor Dr. August Stich, unternimmt einen Schnelldurchlauf durch „Klimawandel-Krankheiten“, die auch in Deutschland auftreten könnten. Die globalen Herausforderungen reichen bis hin zur Klimamigration, weil Teile der Erde wie die Sahelzone eines Tages wohl nicht mehr bewohnbar sein und zu Wanderbewegungen führen werden. Stich spricht von mentalen Krankheiten, weil Hitze krank machenden Stress bedeuten könne. Und er verweist darauf, dass künftig mit mehr Allergien zu rechnen sei – nicht nur, weil andere Pflanzenarten heimisch würden, sondern auch durch milde Winter und eine verlängerte Blütezeit. „Der Klimawandel macht krank über eine Fülle von Faktoren“, sagt Professor Stich. Zum Beispiel auch, wenn ein „Wohlfühlklima“ für Stechmücken als Krankheitsüberträgern aus Feuchtigkeit und Wärme entstehe.
Absolute Hitze mit Temperaturen über 40 Grad wirke sich laut dem Tropenmediziner indes eher negativ aus, die fliegenden Blutsauger trocknen schneller aus. Die Entwicklung von Krankheitserregern in der Stechmücke ist dann temperaturabhängig. Ist es kalt, dauert der Prozess länger, ein Moskito in freier Wildbahn lebt aber oft nur eine Woche, das heißt: Je optimaler die Temperatur, desto zügiger verläuft der Zyklus im Moskito. Und desto wahrscheinlicher ist es, dass dieser selbst zum Überträger wird. Zwar ist es in den Tropen weitaus feuchter als in unseren Breiten, doch nehmen auch hierzulande Wetterextreme wie Dürren oder Starkregen zu. Bildet sich dadurch in einzelnen Zonen ein Mikroklima, werden punktuell Voraussetzungen geschaffen, die unter Umständen eine Ausbreitung der Krankheitsüberträger und -erreger begünstigen. Deutschland bereits erreicht hat das West-Nil-Fieber – eine von Stechmücken übertragene Viruserkrankung. Nur ein kleiner Teil der Infizierten erkrankt tatsächlich, bei diesen Patienten allerdings kann es zu einer gefährlichen Hirnhautentzündung kommen. 2019 traten erste Fälle der aus Nordafrika importierten Krankheit diesseits der Alpen auf. Verbreitet wird das Virus über Vögel – und hier spielt hinein, dass sich durch den Klimawandel der Vogelzug verändert hat. Manche Vögel überwintern inzwischen in Mitteleuropa statt nach Afrika zu fliegen, dadurch werden sie gegen das Virus nicht immunisiert.
Der Tropenmediziner erklärt: „Wenn andere Vögel das Virus mitbringen, kann es sich in einer nicht immunen Vogelpopulation ausbreiten und durch Stechmücken auf Menschen überspringen.“ Noch nicht in Deutschland, jedoch in südeuropäischen Ländern wie Frankreich und Italien angekommen, sind die Tropenkrankheiten Zika und Denguefieber. Und die Leishmaniose ist eine inzwischen etwa auch in Norditalien weit verbreitete, von Sandmücken übertragene Parasitenerkrankung, bei der noch diskutiert wird, ob es in Deutschland autochthone, also einheimische Fälle gebe. Vor allem Hunde seien befallen. Beschwerden machen sich beim Menschen auf der Haut als so genannte „Orientbeule“ bemerkbar, aber auch Schleimhäute oder innere Organe können je nach Erregerart und Immunantwort des Patienten befallen sein. Mit der Malaria verhält es sich laut Stich kompliziert. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg sei sie in Deutschland ausgerottet gewesen. Trotzdem rechnen Tropenmediziner nicht damit, dass sie sich wieder im größeren Umfang ausbreiten wird. Hier spielt der Infektionsablauf in die Hände: Für die Übertragung braucht es nicht nur die Anophelesmücken als Vektor und warme Umgebungsbedingungen, damit sich die Erreger in den Mücken entwickeln können. Es braucht zudem einen (menschlichen) Wirt, der die Malariaerkrankung bereits überstanden hat und nun die Geschlechtsformen im Blut trägt. „Diese entwickeln sich erst, wenn die Krankheit zehn, zwölf Tage gelaufen ist“, sagt Stich – und dazu komme es erst gar nicht, wenn die Malaria frühzeitig erkannt und behandelt werde.
Zudem ein Blick auf Zecken als Krankheitsüberträger: Milde Winter führen dazu, dass sich die Hauptnahrungsquelle der Zecken, nämlich kleine Säugetiere, vermehren – und in Folge auch die Zecken selbst. Neben dem bei uns heimischen gemeinen Holzbock (Ixodes ricinus) als Überträger von Borreliose und FSME könnten in Zukunft auch andere Zeckenarten als Überträger von Krankheiten wie dem Ebola ähnlichen Krim-Kongo-Fieber einwandern oder über Zugvögel eingeschleppt werden. Verschiedene neue Zeckenarten seien in den letzten Jahren vermehrt gesichtet worden und trügen das Potenzial, andere Krankheiten zu übertragen, in sich. Einzelne Krim-Kongo-Fieber-Fälle etwa kamen in Deutschland bislang nur als Importe vor, in Spanien aber ist die Hyalomma-Zecke als Überträger angekommen.