Salzkartoffeln, Bratkartoffeln, Kartoffelstampf – kaum ein anderes Lebensmittel kommt so „typisch deutsch“ daher wie die Kartoffel. Im Durchschnitt verbrauchen die Deutschen laut dem Industrieverband Agrar 2020/2021 fast 60 Kilogramm Kartoffeln pro Kopf und pro Jahr. Mehr als 200 Sorten sind hierzulande zugelassen. Da verwundert die Tatsache, dass die Kartoffel bis vor 400 Jahren in Europa noch eine unbeschriebene Knolle war. „Sexuell höllisch erregend und ein Werk des Teufels sei die Kartoffel“, berichtet Eduard Stenger, Leiter des Lohrer Schulmuseums über die Vorbehalte des Klerus gegenüber „der Pflanze, die nicht in der Bibel steht“. Die „Wende“ kam erst 1756. Damals erließ Friedrich II. seinen berühmten „Kartoffelbefehl“. Erst nach einer schlimmen Getreide-Missernte gelang dem Nachtschattengewächs der deutschlandweite Durchbruch. Unzählige Menschen bewahrte die Kartoffel 1816 vor dem Hungertod. Und das basische Lebensmittel punktet heute noch – nicht zuletzt wegen gesunder Inhaltsstoffe.
Das bestätigt auch Martin Keller. Der Inhaber des Kartoffelhofes Keller in Karlburg erklärt: „Lange Zeit dachten viele, die Kartoffel wäre ein Dickmacher, was aber nicht stimmt. Denn die Kartoffel ist fettfrei. Natürlich nur, wenn das Fett nicht bei der Zubereitung zugegeben wird.“ Der Hauptbestandteil der Knollen sei, neben Wasser, die Kartoffelstärke. Bei Frühkartoffeln liege der Gehalt über elf, bei den Herbstkartoffeln bei um die 13 Prozent. Dabei habe die Kartoffel aber nur halb so viel Kalorien wie etwa Nudeln. „Der Vitamin-C-Gehalt ist dagegen vergleichbar mit dem von Äpfeln (Anmerkung der Redaktion: rohe Kartoffeln enthalten 17 Milligramm, frische Äpfel enthalten – je nach Sorte – etwa zehn Milligramm Vitamin C) und das enthaltene Eiweiß hat die höchste biologische Wertigkeit unter allen pflanzlichen Lebensmitteln.“ Warum ist die Kartoffel dann ausgerechnet „Giftpflanze des Jahres 2022“? Stenger zufolge enthalte sie in allen Pflanzenteilen das Gift Solanin, „mit dem Fressfeinde abgewehrt werden sollen“. Es ist hitzebeständig und wird erst bei über 240 Grad Celsius zerstört. „Das Kartoffelkraut, die Samenkugeln sowie gekeimte Kartoffeln führen zu schweren Vergiftungen pflanzenfressender Tiere.
Auch beim Menschen können die an sich gesunden Knollen Vergiftungserscheinungen auslösen, wenn sie längere Zeit dem Sonnenlicht ausgesetzt waren und grüne Stellen auf den Schalen aufweisen. Ähnlich argumentiert auch der Botanische Sondergarten Wandsbek, der Ende 2021 die Wahl der Kartoffel zur Giftpflanze bekannt gab. „Nehmen wir die Kartoffel als Botschafterin dafür, dass es mit wenigen Grundkenntnissen problemlos möglich ist, unfallfrei mit Giftpflanzen in Haus und Garten zu leben.“ Wie das gelingt, weiß Martin Keller. Ihm zufolge sei die richtige Lagerung von größter Bedeutung. „Der wichtigste Punkt ist dabei die dunkle Aufbewahrung, da sich bei Lichteinfluss unter der Schale das giftige Solanin bildet, sichtbar durch das Grünwerden der Kartoffel. Für eine längere Lagerung empfehle ich einen trockenen Platz mit einer möglichst gleichmäßigen Temperatur von vier bis zehn Grad Celsius.“ Am besten eigne sich eine Kartoffelschütte, damit auch unter den Kartoffeln etwas Luft durchziehen könne und ein Jutestoff oder ein Papier als Abdeckung.