Kaiser-Liebe

Verhaltenstrainerin Dr. Daniela Reichel über Partnerwahl im Alter

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„Im Jahr 2019 lebten in Deutschland rund 16,79 Millionen Personen, die Single waren“, so das Statistikportal Statista¹. Fast die Hälfte davon sind über 60. Rund 17 Prozent waren zwischen 60 und 69 Jahren und 28 Prozent 70 Jahre und älter. Die Gründe sind vielfältig, weiß Dr. Daniela Reichel. Nach Ansicht der Kommunikations- und Verhaltenstrainerin zählt, neben dem Tod des Ehepartners, vor allem die hohe Scheidungsrate zu den Hauptfaktoren. Auch moderne Familien-Konstellationen oder fehlende Internetaffinität seien nicht zu unterschätzen, so die zertifizierte Eignungsdiagnostikerin. Sie verweist auf die Langzeitstudie „pairfam“² von Forschern aus Jena und Kanada. „Wenn sich ein Paar bereits zu Beginn der Beziehung oft streitet und einer der beiden Partner Bedenken hat, ob der andere ihn wirklich glücklich machen kann, ist das ein klarer Hinweis, dass die Beziehung nicht lange halten wird“, fasst die Autorin von „Mrs. Perfect und Mr. Right – Wie erkenne ich den passenden Partner?“ zusammen.

„Am Anfang sorgen noch die Botenstoffe Dopamin und Oxytocin dafür, dass unser Urteilsvermögen getrübt ist. Wir haben ein verstärktes Glücksgefühl und ein reduziertes Angst- und Stressempfinden.“ Nach etwa drei bis 18 Monaten ließen die „Verliebtheits-Hormone“ nach, die Kritikfähigkeit setze wieder ein, und es blieben die harten Fakten. Die Frage ist, warum man sich überhaupt für eine Person interessiert. „Die sexuelle Kontaktanbahnung wird zunächst durch den Faktor ‚Attraktivität‘ bestimmt“, erklärt Reichel. Ein entscheidender Faktor sei außerdem der Haupthistokompatibilitätskomplex (MHC). „Im Prozess der Partnerwahl spielt die persönliche Duftnote eine große Rolle.“ Jeder Mensch verströme ein individuelles Odeur, das nichts mit Hygiene zu tun habe und als olfaktorischer Reiz auf Mitmenschen wirke. Und was ist mit der Persönlichkeit? Hier verweist die Fachfrau auf die Forschung der Psychologin Beatrice Rammstedt und des Soziologien Jürgen Schupp. „Ihrer Aussage nach funktionieren Partnerschaften am besten, wenn sich die Liebenden in den Persönlichkeits-Dimensionen Verträglichkeit, Gewissenhaftigkeit und Offenheit ähnlich sind. Für Reichel seien insgesamt drei Schritte bei der Partnerwahl zielführend.

Schritt Nummer eins – Selbsterkenntnis. „Studien zeigen, dass die Voraussetzung für eine lange gemeinsame Partnerschaft nur durch Kennenlernen der eigenen Bedürfnisse geschaffen werden kann, denn wir verlieben uns in Menschen, die uns das geben, was wir brauchen, die uns unterstützen und die unserem Selbstwert guttun.“ Ihrer Erfahrung nach mangle es aber genau daran. Sie rät, zu reflektieren, die bisherigen Beuteschemata kritisch zu hinterfragen und die eigenen Bedürfnisse klar zu definieren. Diese hat sie mit dem Akronym „Kaiser“ merkfähig gemacht. K–Ebene: Körperliche Anziehungsfaktoren, A–Ebene: Aussehen und ästhetische Vorstellungen, I–Ebene: Intellektuelle Ansprüche und Bildungsniveau, S–Ebene: Soziale Ebene, E–Ebene: Emotionale Ebene und R–Ebene: Rekreations- und Freizeit-Verhalten. Übernommen hat sie diese in eine „Liebeskarte“, die als Kommunikationsbasis und Entscheidungshilfe dient. Schritt Nummer zwei – wer passt zu mir? „Die äußerliche Attraktivität ist schnell geklärt“, so die Beraterin. „Ebenso klar zeigt sich die sexuelle Anziehung durch den Attraktionsfaktor MHC.

Auch der Sinn für Humor, Ironie, Sarkasmus und Zynismus einer Person offenbart sich schon in den ersten Gesprächen.“ Was aber ist mit den anderen Bindungsfaktoren der „Kaiser“-Formel? Die Expertin empfiehlt, ein intensives Beobachten der Person, ihres Verhaltens und ihres Wohnstils, ein aktives Zuhören sowie zielorientierte Fragen, die unauffällig in die Alltagskommunikation integriert werden. Dabei gilt: bloß keine Scheu. „In der Liebe geht es um Intimität und diese entsteht nur, wenn man sich dem Gegenüber öffnet. Dabei wirken Fragen als Katalysator.“ Dr. Reichel hat daher selbst 30 Fragen entwickelt, die die Intimität erhöhen können und in die Liebeskarte eingetragen werden. Schritt Nummer drei – Wie gut passt mein Date zu mir? Jetzt geht es an die Auswertung der Karte. Hier werden eigene Wünsche und die entsprechenden Merkmale des Partners eingetragen. Anschließend können „Passungs-Noten“ vergeben werden. Diese werden gewichtet und eine Gesamt-Note errechnet, die als Entscheidungsbasis dienen kann. „Natürlich brauchen Sie nicht bei jedem Date so vorzugehen, sondern können erst einmal wie bisher auch auf Ihre Bauchstimme oder die Meinung von ‚Best Friends‘ vertrauen.“

Quellen:
¹https://de.statista.com/statistik/daten/studie286794/umfrage/umfrage-in-deutschland-zur-anzahl-der-singles-nach-alter/
²https://www.pairfam.de/

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