„Bis zu 180 Tage ist ein rohes Ei haltbar, wenn man es jeden Tag im Kühlschrank einmal umdreht“, sagt Sternekoch Bernhard Reiser. So könne sich keine Luftkammer im Ei bilden und der Verderb werde aufgehalten. „Für Segler, die oft monatelang auf den Weltmeeren unterwegs sind, gehört das Eiumdrehen in der Kühlung zum Alltagswissen.“ Salzen, Räuchern, Trocknen und Säuern sind die ältesten Verfahren zum Haltbarmachen von Lebensmitteln. Früher waren diese Methoden jedem Kind bekannt, da sie die Familie über den Winter brachten. Die Vorratskammern waren prall gefühlt. In einer globalisierten Welt, wo zu jeder Zeit überall alles verfügbar ist, gerieten Vorratshaltung und mit ihr Konservierungsverfahren in Vergessenheit. Durch Krieg, Klimakrise und Inflation besinnen sich immer mehr Menschen wieder aufs „Eingemachte“.
Bei einer im März 2021 durchgeführten Umfrage in Österreich, gaben fast 40 Prozent der Befragten an, dass sie sehr wahrscheinlich zukünftig Lebensmittel selbst einkochen und einlegen werden. Der Trend lasse sich auch für Deutschland belegen, so Food-Coach Bernhard Reiser. Und es spreche Vieles dafür … „Beim Konservieren bleiben wertvolle Nähstoffe erhalten, Überschüsse an Obst und Gemüse etwa bei der Ernte oder Überbleibsel beim Kochen, gehen nicht den verschwenderischen Weg in die Tonne, sondern erleben ein genussvolles Comeback, das auch noch den Geldbeutel schont.“ Und die meisten Konservierungsverfahren seien zudem der Gesundheit zuträglich, etwa das Fermentieren. „Durch das Salzen des kleingeschnittenen Chinakohls bauen Enzyme und Mikroorganismen den im Gemüse enthaltenen Zucker und die Stärke ab. In einem mehrstufigen Vorgang bilden sich erst Milch- dann Essigsäure, der das Kimchi haltbar macht. Der Darm sagt auch noch Danke, weil er tolle Bakterienstämme bekommt“, plaudert Reiser aus der Küche.
Allerdings müssten Menschen mit Histamin-Intoleranz aufpassen. Für die sei Fermentiertes nicht bekömmlich. Fermentieren gehört zu den biologischen Konservierungsverfahren, daneben gibt es noch chemische (zuckern, salzen, pökeln, räuchern, säuern, einlegen in Öl oder Alkohol) und physikalische (einkochen, einfrieren und trocknen). Der Gefrierschrank ist ein wahrer Lebensmittelretter. Bei mindestens Minus 18 Grad werde das Wachstum von Bakterien unterbrochen und so der Verfall extrem verlangsamt. „Allerdings sollten die Lebensmittel frisch und gut verpackt sein, dann halten sie in der Kühlung bis zu einem halben Jahr“, weiß Bernhard Reiser. Im Gegensatz zum Einfrieren, das durch Wärmeentzug funktioniert, werden beim Einkochen/Einmachen/Einwecken durch Wärmezufuhr bewusst hohe Temperaturen (zwischen 85 und 100 Grad) erzeugt. „Diese sorgen dafür, dass Bakterien inaktiv werden und die Mirabellen, Kirschen oder Pflaumen sich mindestens zwölf Monate im Einmachglas halten“, so Reiser.
Pökeln, Räuchern und in Alkohol einlegen vernachlässigen wir hier, der Gesundheit zuliebe. Um auch beim Marmeladeeinkochen in Sachen gesündere Lebensweise zu punkten, rät der Sternekoch zum Einkochen nur die Hälfte der angegebenen Zuckermenge zu verwenden und zusätzlich noch mit Stevia zu substituieren.
Beim Einlegen in Öl sei zu beachten, dass das Eingemachte einen Luftabschluss durch eine dicke Ölschicht brauche. Während eingelegter roher Knoblauch oder Pesto aus frischen Kräutern, Pinienkernen und Parmesan nur kurz haltbar ist (maximal 14 Tage), seien in Öl eingelegte, vorgegarte Lebensmittel etwa getrocknete Tomaten oder blanchierte Paprika bis zu einem halben Jahr zu genießen. Die mannigfachen Methoden des Haltbarmachens verhindern den Verderb kostbarer Lebensmittel und verringern so die Lebensmittelverschwendung, reduzieren den Einsatz teurer Flugware aus dem Ausland und schöpfen Saisonalität und Regionalität aus.
Laut dem Ernährungsreport 2020 des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) treten die Deutschen pro Kopf jährlich rund 55 Kilo Lebensmittel in die Tonne. Die häufigsten Gründe für die Entsorgung der oft noch genießbaren Lebensmittel seien Haltbarkeitsprobleme: verdorben, schlecht geworden, optisch unappetitlich oder nicht mehr schmackhaft, so das BMEL.
Quellen:
¹de.statista.com/statistik/daten/studie/1236405/umfrage/einmachen-und-einlegen-von-lebensmitteln-in-oesterreich-nach-alter-und-geschlecht/,
²www.bmel.de/DE/themen/ernaehrung/ernaehrungsreport-ueberblick.html
Das Interview mit Sternekoch Bernhard Reiser führte Lebenslinie-Chefredakteurin Susanna Khoury.