Gewebe aus dem 3D-Drucker

Würzburger Forscher:innen sehen in der „Biofabrikation“ hohes Potenzial

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©UKW/Kirstin Linkamp

Künstliche Gewebe haben das Potenzial, Tierversuche zu ersetzen. Sie werden vermutlich die Krebsforschung voranbringen. Und sie könnten künftig imstande sein, krankes oder zerstörtes Gewebe zu regenerieren. Solche Gewebe entstehen durch sogenannte Biofabrikation. „In der Biofabrikation versuchen wir, mithilfe automatisierter Prozesse wie dem 3D-Druck funktionale Gewebe herzustellen“, erklärt dazu Dr. Tomasz Jüngst, seit 2022 Juniorprofessor für Biodruckverfahren an der Uni Würzburg. Diese Gewebe sollen in Zukunft zum Beispiel für die Testung von Medikamenten oder patient:innenspezifischer Therapien eingesetzt werden können. „Vor allem im Bereich der Gewebemodelle, die nicht so komplex sind wie ganze Organe, die nur bestimmte Funktionen eines Gewebes nachahmen müssen, sehe ich in der Biofabrikation hohes Potenzial“, erläutert der Physiker. Bessere Gewebemodelle, bei denen patient:inneneigene Zellen verwendet werden, könnten nach seiner Einschätzung in Zukunft vermehrt für die Entwicklung neuer Therapiemethoden eingesetzt werden. „Biofabrizierte Hautmodelle stehen bereits in den Startlöchern“, so der Wissenschaftler. Da das Forschungsfeld sehr jung ist, werden Biofabrikate nach seinen Erkenntnissen bisher noch nicht klinisch angewendet. Vermutlich werde es aber nicht mehr lange dauern, bis biofabrizierte Gewebe wie Haut oder Knorpel für die Testung von Medikamenten zur Verfügung stehen. „Komplexe Organe wie Leber oder Herz wird es hingegen noch lange nicht als Biofabrikate geben“, vermutet der Experte für 3D-Drucktechnologien. Fraglich sei, ob dies jemals möglich sein wird. Beim 3D-Druck von künstlichen Geweben, die im menschlichen Körper verbleiben sollen, müssten zahlreiche Aspekte berücksichtigt werden: „Zuallererst sollte das Biofabrikat vom Körper angenommen, nicht abgestoßen werden.“ Im Idealfall würde es vollständig in den Organismus integriert. „Außerdem sollte es möglichst auch den fortwährenden Erneuerungsprozess des menschlichen Körpers übernehmen“, so der Biofabrikationsforscher.  Bei größeren Organen müsse dann auch die Blutversorgung sichergestellt sein. Auch der Anschluss an das Kreislaufsystem, eine Verbindung mit dem Nervensystem sowie mit Systemen wie dem Lymphsystem müssten ermöglicht werden. Professor Jüngst: „Wir haben noch einige Aufgaben vor uns.“ Die in der Biofabrikation eingesetzten Materialien werden als „Biotinten“ oder „Biomaterialtinten“ klassifiziert. „Bei Biotinten müssen nach der aktuellen Definition Zellen im Material enthalten sein und im Druckprozess direkt eingesetzt werden“, erklärt Jüngst. Bei Biomaterialtinten würden die Konstrukte zunächst gefertigt und anschließend mit Zellen besiedelt: „Beide Materialklassen beinhalten synthetische aber auch natürliche Materialien.“ Es sei also möglich, Materialien von Grund auf im Labor neu zu gestalten und deren Funktion an die Anforderungen der Biofabrikation anzupassen: „Wir können aber auch Materialien für uns nutzen, die in der Natur vorkommen.“ Beispiele für synthetische Materialien seien die in der Pharmazie weit verbreiteten Polyethylenglycole oder bioabbaubare Polyester wie Polycaprolacton. Beispiele für natürliche Materialien seien Alginate, die auch in der Pharmazie und Lebensmittelindustrie weit verbreitet sind, sowie Kollagen tierischen Ursprungs, das auch im menschlichen Körper im Bindegewebe zu finden ist.

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