„Die Ergotherapie betrachtet den Menschen und sein Handlungsspektrum. Welche individuellen Ressourcen sind da, die ihn befähigen, Dinge zu tun, die er so gerade nicht tun kann?“, beschreibt Irena Jäger. Gestärkt werden sollen Patienten in den Bereichen Freizeit, Produktivität und Selbstversorgung.
Die 31-Jährige Ergotherapeutin arbeitet am im April 2017 eröffneten Zentrum für Seelische Gesundheit am König-Ludwig-Hauses in Würzburg. Im beschützten Bereich, in zwei stationären Abteilungen, in der Tagesklinik und der Ambulanz werden Patienten aus dem gesamten Spektrum psychiatrischer Erkrankungen (Ausnahmen: Sucht- und Demenzerkrankungen) behandelt.
Eine wichtige Rolle im ganzheitlichen Therapieansatz spielt die Ergotherapie. Die ergotherapeutische Arbeit am Zentrum für Seelische Gesundheit beginnt mit einem Anamnesegespräch.
„Im besten Fall sagen mir die Patienten, was ihre Ziele sind. Anschließend stelle ich entsprechende Angebote zusammen“, sagt Jäger. Oft treibt Patienten die Sorge um, überfordert zu werden. Dann erklärt die Ergotherapeutin: Es gehe bei Dingen wie Musiktherapie oder kreativem Schreiben nicht um ein „gut Können“, sondern um Gefühlsausdruck, das Erleben und darum, die eigenen Fähigkeiten wahrzunehmen.
„Um zu schreiben braucht es Papier, Stift und Worte – mehr nicht.“ Nicht selten gehe es beim kreativen Schreiben hochemotional zu. „Viele Menschen wissen nicht mehr, wer sie sind“, beobachtet Jäger. Sie stellen an sich selbst extrem hohe Leistungsansprüche, es geht ums „Funktionieren“ statt um eigene Bedürfnisse. In der Ergotherapie werden Patienten sensibilisiert für ihre Gefühle, Wünsche, Fähigkeiten, Grenzen und Ziele.
Auch leitet Irena Jäger aktuell eine Kochgruppe – Therapie, aufgehängt an einer Alltagsbetätigung. „Bin ich depressiv, fehlt mir jeder Antrieb – auch zu Alltagsdingen wie Kochen. Durch Medikamente kann das Hungergefühl verloren gehen. Auch will mancher Patient nicht kochen, weil ihm dies allein keine Freude bereitet“, sagt die Ergotherapeutin.
Ziele der Gruppentherapie variierten von Patient zu Patient. Diese werden vorab in der Gruppe besprochen und anschließend gemeinsam reflektiert. Nicht nur die Therapeutin, auch andere Patienten können so Feedback geben.
Eine wichtige Rolle spielen bei gruppentherapeutischen Maßnahmen soziale Kompetenzen – immerhin wird bei einem Angebot wie der Kochgruppe der Essensplan erarbeitet, zusammen eingekauft, drei Stunden lang gekocht und gemeinsam gegessen. „Man muss sich absprechen, man muss kommunizieren. Die Patienten merken, dass dies Spaß machen kann – und am Ende hat man in der Regel noch dazu ein Ergebnis, das gut schmeckt“, so die Ergotherapeutin.
Während in der Gruppentherapie das gemeinsame Erleben und die Rückmeldung der Gruppe eine zentrale Rolle spielen, geht Jäger in der Einzeltherapie noch gezielter auf individuelle Bedürfnisse ein. Eine Patientin wollte zum Beispiel wieder schwimmen gehen und so plante die Ergotherapeutin mit ihr Schritt für Schritt – angefangen beim Badeanzugeinkauf über die Auswahl des Schwimmbads bis hin zur Anfahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln.
Eine andere Frau hatte Angst vor Zugfahrten, weil sie nicht wusste, wie Fahrkartenautomaten bedient werden. „Also gingen wir zusammen zum Bahnhof und probierten dies gemeinsam aus“, erzählt Jäger. Eine wichtige Rolle am Zentrum für Seelische Gesundheit spielt die berufliche Integration der Patienten.
In der Ergotherapie wird deshalb ein Bewerbungstraining angeboten, auch Konzentrationstraining und die Schulung sozialer Kompetenzen können hilfreich sein. Eng arbeiten die drei Ergotherapeuten zudem mit Sozialpädagogen zusammen, die unter anderem Kontakt zu Arbeitgebern aufnehmen, um eine Wiedereingliederung vorzubereiten.
Zentrum für Seelische Gesundheit am König-Ludwig-Haus
Brettreichstraße 11, 97074 Würzburg
Telefon 0931.803-0
www.koenig-ludwig-haus.de