Hygiene und medizinische Versorgung

Die Zunft der Bader im Fränkischen Freilandmuseum Bad Windsheim und die Neueröffnung eines eigenen Badhauses

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Ein Rundgang durch das Fränkische Freilandmuseum in Bad Windsheim ist wie eine Zeitreise. Gut 700 Jahre fränkische Alltagsgeschichte werden an mehr als 100 Gebäuden aufgezeigt. Besonders hervor sticht seit Kurzem ein imposanter Bau im hinteren Teil des Areals. Dort befindet sich in der Baugruppe Mittelalter das um 1450 erbaute und seither in seinem Kern weitgehend unveränderte Badhaus aus Wendelstein, das voraussichtlich zwischen Juni und Oktober 2021 offiziell eröffnet wird. Bis um 1800 war die Badstube in Betrieb, danach wurden die Räume als Stall genutzt. Zuletzt stand das Gebäude leer und verfiel – bis zum Abbau durch das Freilandmuseum im Jahr 2012. Seit Mai 2017 wird wieder aufgebaut – in mühevoller und akribischer Arbeit mit alten Handwerkstechniken und dem ein oder anderen Rekonstruktionsrätsel. Der Aufwand hat gelohnt: Wer das neue Badhaus betritt, fühlt sich an so manche Saunalandschaft der Gegenwart erinnert. Was heute der bloßen Entspannung dient, hatte einst absolute Notwendigkeit. Öffentliche Badhäuser galten als Zentren der Körper- und Gesundheitspflege in Städten und Dörfern.

„Die Bevölkerung suchte sie auf, um sich zu waschen und sich die Haare schneiden zu lassen. Auch ging es darum, beim Schwitzen oder beim Schröpfen üble Körpersäfte loszuwerden – ganz wie es der Vorstellung der Zeit entsprach. Und man suchte hier auch die Hilfe des wundärztlich tätigen Baders“, erklärt Historikerin Dr. Susanne Grosser. Diese von handwerklich ausgebildeten, geprüften und in der Zunft organisierten Badern betriebene Einrichtung stellte also die hygienische und ­medizinische Versorgung der Bevölkerung sicher – für Arme und Reiche gleichermaßen. Die Geschichte dieser Häuser reicht weit zurück. Öffentliche Badhäuser lassen sich in Franken schon vor mehr als 800 Jahren nachweisen, etwa 1203 in Bamberg oder 1214 in Pfofeld und Pappenheim. Und das Netz wuchs. Heute weiß man, dass spätestens Ende des Mittelalters ein dichtes Netz von weit über 1.000 Badhäusern in ganz Franken vorhanden war. „In fast jedem größeren Dorf war neben Kirche, Wirtshaus und Schmiede auch ein Badhaus zu finden, das an bis zu drei Badetagen pro Woche angeheizt wurde. Ein Badhausbesuch bot der Dorfbevölkerung stets auch die willkommene Gelegenheit zum sozialen Austausch“, so Grosser. Ab dem 16. Jahrhundert nahmen die Badetage in den öffentlichen Badstuben immer mehr ab. Wer auf sich hielt, legte sich stattdessen ein privates Badstübchen zu. Die Bader sorgten als Wundärzte allerdings weiterhin für eine medizinische Grundversorgung in der Fläche.

Denn auf dem Land gab es bis ins 19. Jahrhundert hinein kaum studierte Ärzte. Die allerletzten fränkischen „Boder“ zogen wohl noch im 20. Jahrhundert Zähne oder öffneten Abszesse. In Bad Windsheim beschäftigte man sich parallel zum Ab- und Wiederaufbau des Badhauses Wendelstein in einem umfassenden Forschungsprojekt mit Badhäusern und dem Baderwesen in Franken. Die Ergebnisse werden in diesem Jahr in einer eigenen Publikation vorgestellt und fließen auch in die im Badhaus entstehende Dauerausstellung mit vielen informativen Angeboten für Kinder wie Erwachsene mit ein. Noch bis mindestens Ende Juni 2021 zeigt das Fränkische Freilandmuseum des Bezirks Mittelfranken zudem eine Sonderausstellung: Unter dem Titel „Schwitzbaden, Schröpfen und Kurieren“ präsentiert das Team um Projektleiterin Dr. Susanne Grosser in der Ausstellungsscheune Betzmannsdorf zahlreiche spannende Exponate zum fast vergessenen Berufsstand. Mit so mancher Überraschung …

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