Herzensangelegenheiten

Wie Wissenschaft bei Herzschmerz helfen kann, weiß Biologin Prof. Katrin Streckfuß-Bömeke

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Nicht jeder Herzschmerz ist gleich ein Fall für eine:n Ärztin. Und nicht alle gebrochenen Herzen sind gleich ein „Broken-Heart-Syndrom“. Doch ist jede Takotsubo-Kardiomyopathie, wie das Broken-Heart-Syndrom in der Klinik genannt wird, immer ein individueller und kein harmloser Fall für die Medizin. Für die Biologin Katrin Streckfuß-Bömeke wurde es durch ihre Arbeit zu einer „Herzensangelegenheit”, mehr über diese Krankheit zu erfahren. Diese ist zwar in aller Munde, doch birgt sie auch viele Fragezeichen. Streckfuß-Bömeke ist Expertin für Stammzellforschung in der Kardiologie und untersucht Erkrankungen des Herzmuskels, Kardiomyopathien.

Zum „Broken-Heart-Syndrom“ gebe es immer noch Forschungsbedarf, sagt die Neu-Würzburgerin: „Ich bin sicher, dass bei jeder:m einzelnen Patient:in eine andere Ursache vorliegt.“ Das Wichtigste sei aber, dass das Krankheitsbild behandelbar sei. Die Ursache: Beim Menschen können starke emotionale sowie körperliche Belastungen das Herz tatsächlich „brechen“. Auch bei depressiven Patient:innen könne ein Takotsubo-Syndrom auftreten wie auch bei Krebspatient:innen mit einer begleitend hohen emotionalen Belastung. „Es gibt also starke Verknüpfungen zur neurologischen und zur psychiatrischen Ebene des Körpers, aber auch weitere Organe sind mit dem Takotsubo-Syndrom assoziiert”, so die Professorin für molekulare Pharmakologie am Institut für Pharmakologie und Toxikologie der Universität Würzburg. Beim „Broken-Heart-Syndrom” kontrahierten nur noch bestimmte Areale des Herzmuskels, die anderen bleiben bewegungslos. Meist lägen diese Areale in Richtung Herzspitze, die sich ballonartig vergrößern können. Diese eigentümliche Form der linken Herzkammer am Ende der Anspannungsphase ähnele einer ­japanischen Tintenfischfalle in Form eines ausgebuchteten Tonkrugs mit verengtem Hals.

Katrin Streckfuß-Bömeke, Professorin für molekulare Pharmakologie.
©privat

Daher komme auch der Name des Syndroms: Takotsubo heiße in Japan Oktopus-Falle, erklärt die Wissenschaftlerin. Bei gut zwei Prozent der rund 220.000 Herzinfarktfälle pro Jahr in Deutschland steckt nicht der Herzinfarkt (Verschluss eines Blutgefäßes des Herzmuskels mit der Folge eines Absterbens der Muskulatur), sondern das sogenannte Takotsubo-Syndrom dahinter. Gewissheit bringt eine Herzkatheter-Untersuchung, die im Falle eines Takotsubo-Syndrom keine Verschlüsse der Herzkranzgefäße zeige. Fast ein Viertel der Patienten erleiden in der akuten Phase Komplikationen mit Todesfolge. Habe man die erste Phase überwunden, könne man letztendlich – meist nach wenigen Wochen – wieder vollkommen genesen. Aufpassen müsse man dann nur, dass man kein zweites „Event” bekomme. „Wir haben bei dieser sehr spezifischen Krankheit herausgefunden, dass das Takotsubo-Syndroms auf einer genetischen Präposition beruht. Die Herzmuskelzellen von Betroffenen reagieren viel empfindlicher auf Adrenalin“, erklärt Streckfuß-Bömeke. Außerdem funktioniere die Desensibilisierung nicht mehr – dieser Selbstschutz-Mechanismus mache die Herzmuskelzellen im Normalfall unempfindlich gegen körpereigene Stresshormone wie Adrenalin, wenn diese längere Zeit in hohen Mengen auf sie einwirken. Ein Forschungsschwerpunkt von Katrin Streckfuß-Bömeke sind die sogenannten Kardiomyopathien. Das ist eine Gruppe unterschiedlicher Erkrankungen, bei denen die Struktur des Herzmuskelgewebes defekt ist. Oft kommt es zu einer Erweiterung oder zu einer Verdickung einer Herzkammer. Die Pumpkraft des Herzens ist dadurch eingeschränkt, die Betroffenen sind nicht mehr so leistungsfähig und haben typische Beschwerden einer Herzschwäche. An Kardiomyopathien erkranken Menschen jedes Alters, und häufig liegen genetische Ursachen vor.

Um diese Ursachen zu klären, setzt die Biologin auf Stammzellen: Für die Herstellung verwendet sie Blut- oder Hautzellen der Patient:innen. Dabei würden die Zellen in ein sehr frühes Stadium ihrer Entwicklung zurückversetzt. Solche Stammzellen würden im Labor zu Herzmuskel-, Blutgefäß-, und Bindegewebszellen, aber auch zu Neuronen umgewandelt, die genau dieselbe genetische Ausstattung und damit auch genau die gleichen Mutationen haben wie die Patient:innen. Die Zellen ließen sich dann zu kleinen Geweben vereinigen oder zu organähnlichen Strukturen, sogenannten Organoiden, die über Wochen intakt bleiben. An ihnen ließe sich studieren, welche Ursachen für eine Erkrankung des Herzgewebes verantwortlich sein können. Ihr Team untersucht dann an den Geweben und Organoiden auch, welche Medikamente im Einzelfall die besten Effekte bringen. Beispielsweise, dass sich kardiomyopathische Herzmuskelzellen durch Kalziumkanal-Hemmstoffe besser regulieren lassen als durch Betablocker, wie sie oft in der Klinik verwendet werden. Dann könnten behandelnde Ärzt:innen die Medikation um- und Patient:innen neu einstellen.

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