Heilwert der Heilküche

Theologe Dr. Wolfgang Schuhmacher über „Hildegard-Medizin“

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©Petra Kellner

Wie alles mit allem zusammenhängt im Welt- und Menschenbild der Hildegard von Bingen, haben wir zusammen mit dem Theologen Dr. Wolfgang Schuhmacher in der Frühjahrsausgabe der Lebenslinie bereits beleuchtet. Im zweiten Gespräch mit dem Hildegard-von-Bingen-Experten aus Rothenburg ob der Tauber soll es nun konkret um die „Hildegard-Medizin“ gehen. Die Klostermedizinerin vertrat die Ansicht, dass gegen jede Erkrankung ein „Kraut“ gewachsen sei. „Galgant und Bertram etwa bei Gefäß- oder Herzkrankheiten, oder Enzian und Hirschzunge bei Allergien“, weiß Dr. Schuhmacher, der sich seit 30 Jahren dem Studium der Universalgelehrten verschrieben hat. Er zitiert als Plädoyer für Galgant bei Herz-Kreislauf-Beschwerden Dr. Wighard Strehlow1, der sogar so weit geht, das Ingwergewächs bei der Beseitigung von Angina pektoris-Schmerzen, zur Verhütung von Herzinfarkt und Schlaganfall und als Tumorrezidiv-Prophylaxe zu empfehlen. Generell bei allen Krankheiten und auch für die Gesunderhaltung empfiehlt Hildegard von Bingen Dinkel. Das Getreide sei entzündungshemmend, enthalte essenzielle Nährstoffe und stärke zudem Lebenskraft und Lebensfreude, so Schuhmacher. Frei nach dem Prinzip der deutschen Prophetin aus dem Mittelalter: „Eure Lebensmittel sollen eure Heilmittel und eure Heilmittel eure Lebensmittel sein“, komme es darauf an, bewusst auf Subtilität zu achten, sagt der Leiter der Evangelischen Tagungsstätte Wildbad Rothenburg und verweist erneut auf Dr. Strehlow: „Die Hildegard-Küche bietet eine abwechslungsreiche, vielseitige Kost mit Dinkel, Obst und Gemüse im Mittelpunkt und Fleisch, Milch und Milchprodukten als Beilage. Bei der Auswahl der Lebensmittel entscheiden nicht nur die analytischen Daten von Vitaminen und Spurenelementen und schon gar nicht die Kalorien, sondern vielmehr der Heilwert (die Subtilität), den die einzelnen Lebensmittel für den Menschen haben.“1 Die Hildegard-Heilküche vermeidet Ungekochtes. Rohkost verteile im Darm Gifte. Dadurch entstünden Pilze und andere ungute Säfte, die die Darmflora zerstörten, und so zu Krankheiten führen könnten, sagt Dr. Schuhmacher. Darüber hinaus prangere die Äbtissin „Küchengifte“ an, darunter Kaffee, Tee, Schweinefleisch und Wurst, Kohlgemüse oder Nachtschattengewächse wie Kartoffeln, Tomaten oder Spargel. Während die moderne Ernährungswissenschaft drei bis vier Tassen Kaffee pro Tag als gesund einstuft, ja sogar einen Nutzen in der Prävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen sieht1, ebenso wie in der täglichen „Krebstomate“ als Prophylaxe für bösartige Gewebeneubildungen im Körper. Übereinstimmung von altem und neuem Wissen herrscht bei Spargel. Während die moderne Ökotrophologie die entwässernde Funktion von Spargel bei gesunden Menschen preist, warnt sie beispielsweise aber Gichtpatient:innen vor dem Konsum, da Spargel erwiesenermaßen zu erhöhten Harnsäurewerten führen und so einen Gichtanfall auslösen könne.3 Als Hauptzutaten der Hildegard-Heilküche benennt Dr. Schuhmacher: „Dinkel, Bertram, Galgant, Quendel, Fenchel, Maroni, Lamm, Ziege, bestimmte Fischarten, Wild und bisweilen Rind“. Zum ganzheitlichen Menschenbild der Hildegard von Bingen gehörten aber zu einem gesunden Lebensstil neben der richtigen Auswahl von Lebensmitteln, auch das Leben im Einklang mit der Natur, Bewegung und Ruhe, ausreichend Schlaf zu Regeneration, die Ausleitung von Gift- und Schlackenstoffen aus Blut, Lymphe und Bindegewebe sowie spirituelle Gesundheit, sind sich Dr. Strehlow1 und Dr. Schuhmacher einig.  

Fotos: Dr. Schuhmacher ©Petra Kellner, ©depositphotos.com/@serezniy, ©depositphotos.com/@Rawpixel, ©depositphotos.com/@juliarossi;

Quellen: 1Dr. Wighard Strehlow: Die Ernährungstherapie der Hildegard von Bingen, Rezepte, Kuren und Diäten Droemer Knaur, München 2012, ISBN: 978-3-426-41522-1, Preis: 28 Euro, www.droemer-knaur.de, 2www.eurekalert.org/news-releases/947300, www.thieme-connect.com/products/ejournals/pdf/10.1055/a-1243-1145.pdf

 

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