Gutes Gewissen beim Genießen

Im Gespräch mit Bio-Bäckermeister Ernst Köhler und dem Inhaber der ebl-Bio-Fachmärkte, Gerhard Bickel über Wert, Wertigkeit und Wertschätzung von Bio-Lebensmitteln

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Ernst Köhler mit Köhlers-Filialen in Rottenbauer, an der Alten Mainbrücke und in der Sanderau, eröffnet Anfang Juni eine weitere am Hubland. Der besondere Standort im neuen Nahversorgungszentrum gegenüber vom Landesgartenschau-Gelände wird gemeinsam mit ebl-naturkost bezogen. Nach 27 Bio-Fachmärkten in Nürnberg, Fürth, Feucht, Forchheim, Herzogenaurach, Erlangen und Bamberg kommt ebl-Naturkost damit auch nach Würzburg. Foto: ©Rudi Ott

„Um fremden Wert willig und frei anzuerkennen und gelten zu lassen, muss man eigenen haben,“ sagte der deutsche Philosoph Arthur Schopenhauer und straft, wenn es derzeit um Wertschätzung von Bio-Lebensmitteln hierzulande geht, den irischen Schriftsteller Oscar Wilde mit seinem Zitat Lügen: „Heutzutage kennen die Leute von allem den Preis und von nichts den Wert.“

Laut dem Portal Statista (www.statista.de) wurden durch den Verkauf von Bio-Lebensmitteln 2016 rund 9,5 Milliarden Euro umgesetzt. 2015 waren es noch fast eine Milliarde weniger. Immer mehr Verbraucher wollen ein gutes Gefühl beim Essen haben. Dieses setzt sich aus der Transparenz der Inhaltsstoffe genauso zusammen wie aus dem Wissen über die Produktionsbedingungen in den Herkunftsländern der Lebensmittel.

Vielen Menschen reicht es nicht mehr, dass sie sich selber mit Bio-Kost etwas Gutes tun, sie wollen auch, dass es den anderen, an der „Nahrungskette“ Beteiligten, gut geht. Sie wollen mit gutem Gewissen genießen und sind auch bereit, den Preis dafür zu bezahlen.

Denn Wertigkeit und Wertschätzung von Bio gibt es nicht umsonst. „Unsere Zutatenlisten sind voll transparent, es wird in den Deklarationen sogar unterschieden zwischen EG-Bio und Verbands-Bio wie Bioland“, klärt Bio-Bäckermeister Ernst Köhler auf. „Die Rohstoffe aus Bio(land)-Anbau sind teurer, weil der Ertrag meist geringer ist und der Anbau aufwändiger“. Zudem sei die Produktion von Bio-Backwaren ohne Unterstützung von synthetisch hergestellten Backmitteln zeitintensiver durch langzeitgeführte Teige (Vorteige, Sauerteige, Kochstücke etc.). „Das zieht höhere Personalkosten und höhere Rohstoffkosten nach sich, die sich natürlich auch im Preis niederschlagen“, so der Überzeugungstäter in Sachen Bio.

Wertigkeit & Wertschätzung
Dem schließt sich Gerhard Bickel, Inhaber von mittlerweile 27 Bio-Fachmärkten in Franken, demnächst auch welchen in Würzburg, an: „Ähnlich ist es bei der Öko-Landwirtschaft“, so Bickel. „Der Verzicht auf Kunstdünger und Ackergifte hat mehr Arbeit und niedrigere Erträge zur Folge und beides zusammen führt zu angemessenen Preisen, die dem Landwirt ein auskömmliches Wirtschaften unter diesen Bedingungen ermöglichen“.

Auch der Bio-Fachhandel sei mit einem breiten Sortiment und einem großen Anteil Frischware, wie etwa an den Bedientheken, sehr personalintensiv. Grundlage sei hier eine fundierte Ausbildung und Schulung der Mitarbeiter, um Kunden fachkundig und individuell zu beraten. Das habe seinen Preis. Wertigkeit korreliert hier mit Wertschätzung, jedem Einzelnen gegenüber. „Der Bio-Handel, wie wir ihn verstehen, zeichnet sich dadurch aus, dass alle an der Wertschöpfungskette Beteiligten (Erzeuger, Verarbeiter, Hersteller und Händler) die gleiche Wertschätzung erfahren,“ betont Gerhard Bickel.

Die Bio-Branche sei dadurch zu einer Bewegung geworden, die ein gemeinsames Ziel verfolge: die Öko-Landwirtschaft zu fördern und zwar weltweit, so der Naturkost-Händler aus Mittelfranken.

So wie Gerhard Bickel lebt auch Ernst Köhler Bio und das seit über 30 Jahren – beispielsweise mit einer Photovoltaikanlage auf dem Bäckereidach oder dem Fokus auf Zulieferern aus der Region: „Getreide beziehen wir aus Schrozberg, Möhren aus Remlingen, Eier aus Wittighausen, Gemüse aus Kitzingen, Äpfel und Zwetschgen aus Nordheim und aus Neusetz, Kürbiskerne aus Mittelfranken … die Liste ginge noch weiter. In vielerlei Hinsicht geht Region vor günstigster Preis; außerdem liegt uns der persönliche Kontakt zu den Lieferanten am Herzen!“, so Ernst Köhler.

In Gerhard Bickels Brust schlagen zwei Herzen: Seit der Gründung seines ersten Naturkostladens 1994 sei es ihm immer wichtig gewesen, Lebensmittel aus der näheren Umgebung einzukaufen, andererseits betrachte er Ökolandbau als globales Thema: „Ökolandbau ist die nachhaltigste Methode der Lebensmittelerzeugung“, konstatiert Bickel. Zum einen habe er positive Folgen für das Klima in den Herkunftsländern und gebe den Menschen dort die Chance, eigenständig ein gesundes Auskommen zu erwirtschaften. Wenn Bio nur ein Marketingkonzept ist, funktioniere es nicht auf Dauer. Bio muss gelebt werden, damit es überzeugt und authentisch ist, so der Unternehmer Bickel.

Da spricht er dem Mitglied des Vereins „Die Freien Bäcker – Zeit für Verantwortung e.V.“ Köhler aus dem Herzen: „Bio ist für mich eine Lebenseinstellung. Ich möchte mit dem Verkauf von Bio-Brot aktiv dazu beitragen, dass die Natur und die Artenvielfalt geschützt werden und für die nachfolgenden Generationen noch zur Verfügung stehen. Nur die ökologische Landwirtschaft garantiert, dass etwa Grundwasser trinkbar bleibt und die Bienen nicht aussterben.“

Bio ist mehr
Das Label „Bio“ dürfen Erzeugnisse aus ökologischer Landwirtschaft tragen, die nicht gentechnisch verändert wurden und die ohne chemisch-synthetische Dünge- und Pflanzenschutzmittel angebaut wurden. Tiere auf Bio-Höfen müssen Zugang ins Freie haben und ausreichend Platz, um ihre natürlichen Verhaltensweisen auszuleben.

Der Zukauf von Futtermitteln ist nur eingeschränkt erlaubt. Medikamente wie Antibiotika dürfen nur im Notfall eingesetzt werden. Inzwischen sind zahlreiche Bio-Produkte, meist mit EU-Bio-Siegel, auch in deutschen Discountern angekommen. Dass prinzipiell mehr Konsumenten an Bio-Produkte herangeführt werden, sei erst einmal nichts Schlechtes, betont Ernst Köhler. Das zeige, dass es keine Glaubensfrage mehr sei, sich biologisch zu ernähren.

Doch Bio ist dennoch mehr, ist Gerhard Bickel überzeugt: „Ökologischer Landbau als besonders ressourcenschonende, umwelt- und tiergerechte Form der Landwirtschaft ist der einzig mögliche Weg, unsere Welt auch zukünftig nachhaltig und umfassend zu ernähren.“ Und nun vom Altruismus wieder zurück zum gesunden Egoismus. Bio ist der Gesundheit zuträglich, da sind sich die Bio-Pioniere einig.

Gerhard Bickel: „Es gibt mittlerweile eine Reihe von Untersuchungen, die belegen, dass Bio-Lebensmittel im Vergleich zu konventionell angebauten einen höheren Nährstoffgehalt haben und gleichzeitig frei von Gentechnik, Pestiziden und künstlichen Zusatzstoffen sind. Laut einer Meta-Studie der englischen Universität Newcastle beispielsweise enthalten Bio-Lebensmittel mehr Vitalstoffe für die Gesundheit und weisen zugleich weniger Schadstoffe wie Schwermetalle auf! Dabei rückt auch die Bedeutung eines gesunden Bodens in den Fokus: Nur ein fruchtbarer, humusreicher Boden kann in Feldfrüchten wie Getreide, Obst und Gemüse für hohe Nährstoffdichte sorgen.“

Beim Verzehr von Bio-Brot könne sich der Konsument sicher sein, dass er beispielsweise kein Glyphosat zu sich nehme, so Köhler. Gleichzeitig schone Ökolandbau die Anbauflächen, den Boden und sorge für bessere Grundwasserqualität. Die Bio-Branche sei auf einem guten Weg, der noch weiter ausgebaut werden müsse, sagt Bickel.

Es wurde mehrmals an einer Weggabelung die „richtige“ Richtung eingeschlagen, aber um gegenseitigen Respekt nachhaltig zu leben, müssten immer wieder Hürden genommen werden.

Das Interview mit Bio-Bäckermeister Ernst Köhler und dem Inhaber der ebl-Bio-Fachmärkte Gerhard Bickel führte Lebens­linie-Chefredakteurin Susanna Khoury.

www.koehlers-vollkornbaeckerei.de
www.ebl-naturkost.de

Kann „Bio“ die Welt ernähren?
Eine weltweite Umstellung auf biologischen Landbau sei keine Utopie, so die Studie des Forschungsinstituts für biologischen Landbau (FiBL), die in der renommierten Fachzeitschrift „Nature Communications“ publiziert wurde. Die Studie zeigt, dass der Biolandbau in Kombination mit dem Verzicht auf Kraftfutter, einer Reduktion des Konsums tierischer Produkte und einer Reduktion von Nahrungsmittelabfällen eine wichtige Rolle in einem globalen nachhaltigen Ernährungssystem spielen könnte. Dabei wäre die Ernährung der Weltbevölkerung auch bei über neun Milliarden im Jahre 2050 gesichert, sagen die Forscher. Der Landverbrauch würde nicht zunehmen, die Treibhausemissionen würden vermindert und die negativen Auswirkungen des heutigen intensiven Ernährungssystems wie etwa große Stickstoffüberschüsse und hohe Pestizidbelastung würden stark reduziert werden, so die Ergebnisse der Studie. Die Umstellung auf Biolandbau bei sonst gleichbleibenden Konsumentenmustern würde hingegen zu einem erhöhten Flächenverbrauch führen. Ja, „Bio“ könnte, bei mehr „gutem Willen“ von allen Seiten, die Welt ernähren! Quelle: Muller, A., Schader, C., El-Hage Scialabba, N., Hecht, J., Isensee, A., Erb, K.-H., Smith, P., Klocke, K., Leiber, F., Stolze, M. and Niggli, U., 2017, Strategies for feeding the world more sustainably with organic agriculture, Nature Communications 8:1290 | DOI: 10.1038/s41467-017-01410-w; Forschungsinstitut für biologischen Landbau, www.fibl.org

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