Gutes Essen für alle?

Im Gespräch mit Bio-Bäckermeister Ernst Köhler über Zeit für Verantwortung und eine konsequente Wertschätzungskette

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Lebenslinie (LL): Sie sind Mitglied der „Freien Bäcker – Zeit für Verantwortung“, einer unabhängigen Berufsorganisation handwerklich arbeitender Bäcker:innen und Konditor:innen, die sich für einen 6-Punkte-Plan zugunsten einer sozial gerechten Agrarwende einsetzt. Was motiviert Sie dazu? 

Ernst Köhler (EK): „Ich bin schon seit 2013 Mitglied bei den freien Bäckern aus voller Überzeugung. Damals war der Kerngedanke vor allem der, sich dafür einzusetzen, dass das ,Handwerk des Brotbackens‘ nicht verschwindet in Zeiten, in denen immer mehr Großbäckereien mit Fertigmischungen und technischen Enzymen den Markt mit günstig produzierten Backwaren überschütten. Es sollten daneben auch noch Handwerksbetriebe bestehen bleiben können, die das Brot noch auf ,traditionelle‘ Art und Weise backen: mit langen Teigruhen, ohne Fertigmischungen, sondern mit Know-How und Erfahrung und vor allem – dazu haben sich alle Mitgliedsbäckereien (bei den Freien Bäckern) verpflichtet – ohne technische Enzyme, die ja leider nicht deklarationspflichtig sind (also quasi für den Endverbraucher:innen nicht mehr nachvollziehbar sind unter den Zutaten). Mir persönlich ist es wichtig, dass das Wissen über das echte Handwerk in die nächsten Generationen übergeht und stets weiter ausreift.“

LL: Essen ist ein Menschenrecht. Und obwohl der Wohlstand bei uns stetig wächst, nimmt auf der anderen Seite der globale Hunger zu. Die Corona-Pandemie und der russische Krieg gegen die Ukraine haben die Schieflage noch verschärft. Über 100 Organisationen fordern nun eine sozial-gerechte Agrarwende und gutes Essen für alle! Wie kann das gelingen?

EK: „Gemeinsamkeit ist hier wohl eines der wichtigen Argumente. Dies betrifft die komplette Gesellschaft. Ein weiteres Aufschieben, auch wenn gerade viele Krisen bestehen oder gerade wegen dieser akuten (Welt-) Probleme, darf es nicht mehr geben. Wir müssen jetzt etwas tun und verändern.“

LL:  Ein 6-Punkte-Plan wurde der Bundesregierung vorgelegt, was sind die Kernforderungen?

EK: „Die Kernforderungen lauten: Zugang zu gesunder und umweltgerechter Ernährung für alle Menschen, faire Erzeuger:innenpreise dauerhaft sicherstellen, gute Löhne für gute Arbeit, gesellschaftlichen Reichtum fair verteilen, Teller statt Trog, Tank oder Tonne, Hungerkrise beenden!1

Hinter den jeweiligen Punkten stecken jeweils klar formulierte Forderungen. So sollen etwa Spekulationen mit Lebensmitteln grundsätzlich verboten und Patente auf Saatgut abgeschafft werden. Eine Übergewinnsteuer auch bei Agrar-, Lebensmittel-, Handels- und Düngemittelkonzernen sollte erhoben und der Einkauf unter Produktionskosten für Unternehmen verboten werden.“

LL: In ihrem Betrieb haben Sie Leitlinien, die das alles schon berücksichtigen. Qualität, Regionalität, Bio Siegel, Umweltschutz, Transparenz und Fair Trade gehören zur Firmenphilosophie. Wie schwierig war/ist das umzusetzen? 

EK: „Am Anfang war es durchaus sehr schwer, so manches anzugehen oder umzusetzen. Gerade in den Gründungsjahren der Bäckerei war das Bewusstsein und das Interesse an ökologischen Produkten noch nicht so verbreitet. Vielleicht galt man für viele damals noch eher als ,Sonderling‘ am Rand der Gesellschaft, wo man erst einmal beobachtet hat, ,was dieser so macht‘. Jedenfalls freut es mich nun umso mehr, dass sich in der Gesellschaft immer mehr Bewusstsein und Wertschätzung für qualitativ hochwertige Lebensmittel und umweltverträgliche Ernährung entwickelt hat. Wir wissen, wir müssen etwas tun, wenn wir unseren Kindern und Enkel:innen einen Planeten hinterlassen möchten, auf dem diese auch noch in 50 oder 100 Jahren eine erstrebenswerte Zukunft erwarten dürfen.“

LL: Sind auch Sie in der Vergangenheit in der Umsetzung Ihrer Wertschöpfungskette manchmal an ihre Grenzen gestoßen? 

EK: „Na klar. Ich glaube, das geht jedem Menschen und auch jedem:jeder Unternehmer:in  einmal so. Gerade auch in der aktuellen Situation, vor dem Hintergrund der Ukraine-Krise und nach rund drei Jahren Corona, würde man gerne einfach mal eine ,krisenfreie‘ Zeit haben. Das kann manchmal schon energieraubend und kräftezehrend sein.“ 

LL:  Wenn ja, warum haben Sie sich nie entmutigen lassen?

EK: „Wenn man etwas wohl aus Überzeugung tut und weiß, warum und vor allem wofür, dann gibt das einem schon sehr viel Motivation, Energie und eine gewisse, positive ,Anpack‘-Stimmung.“

Quelle: 1 www.wir-haben-es-satt.de/informieren/6-punkte-plan/

Das Interview mit Bio-Bäckermeister Ernst Köhler führte Lebenslinie-Chefredakteurin Susanna Khoury.

 

www.koehlers-vollkornbaeckerei.de, www.die-freien-baecker.de

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