Die Universalgelehrte und Äbtissin Hildegard von Bingen aus dem 12. Jahrhundert sprach bereits von der Kraft des Wachsens und Werdens der Natur, die uns Menschen maßgeblich beeinflusst, und gab dem Kind auch einen Namen: Viriditas, die Grünkraft. Die Heilkräuter-Expertin sah in ihr die Quelle für Güte und Gesundheit. Die Psychiaterin und Psychotherapeutin Sue Stuart-Smith knüpft in ihrem Buch „Vom Wachsen und Werden“ daran an und macht Vorschläge, wie wir beim Gärtnern zu uns finden können. Die berührende Geschichte, die sie dabei erzählt, fußt auf der Historie ihrer Familie. Zahlreiche Studien bestätigen es inzwischen, Gartenarbeit ist gut fürs Mindset und die körperliche Fitness. Durch das Erfolgserlebnis, etwas zum Wachsen und Werden zu bringen, würden Gärtner:innen lebensnahe Bestätigung erfahren, die das Selbstwertgefühl steigere. Der Garten als realer Ort erlaube Wurzeln zu schlagen und sei dennoch irgendwie im Reich der Fantasie anzusiedeln … nicht zuletzt, weil im Garten auch Samen aufgehen, die man nie gesät habe, so Stuart-Smith. Gärtner:innen spürten inmitten von Grün ein Gefühl von Freiheit, sowohl körperlicher als auch mentaler. Das habe, so die Psychotherapeutin, mit unserer tiefen und uralten Verbundenheit mit der Natur zu tun, die wir in vielen Bereichen des täglichen Lebens nicht mehr spüren würden, weil wir zu beschäftigt seien. Mahatma Gandhi sagte: „Wer vergisst, wie man die Erde beackert und das Feld bestellt, vergisst sich selbst.“ Eine Studie1 aus dem Jahr 2022 ergänzt die belegte Aussage, dass 20 Minuten Gärtnern im Grünen einem gleich langen Sportprogramm sogar in manchen Punkten überlegen sei. Allerdings sei beim „grünen Workout“ genauso wie bei anderen sportlichen Aktivitäten ein kontrollierter Start und eine Aufwärmphase ratsam. Bei der Gartenarbeit werden vor allem der Rücken und die Gelenke (insbesondere Hand- und Ellenbogengelenk sowie Knie) beansprucht. Daher seien zumindest Dehnübungen angeraten, bevor man sich ins Graben, Jäten und Pflanzen stürzt. Regelmäßige Gartenarbeit wirkt sich als Ausdauer- und Krafttraining positiv auf das Herz-Kreislauf-System aus und beugt Osteoporose vor, so die Studienergebnisse weiter. Und wenn man neben Flower-Power auch Kräuter, Obst und Gemüse anbaue, beschenke man den Körper zudem mit gesunder Ernährung. Gefährlich kann Gartenarbeit dann werden, wenn man sich zum Baumschnitt ungesichert in luftige Höhen begibt. Statt den Kopf freizubekommen, zieht man sich dann beim Sturz von der Leiter etwa eine Gehirnerschütterung und Brüche zu. Aber das ist vermeidbar! Fazit: Gärtnern ist auf vielen Ebenen eine gesundheitsstärkende Beschäftigung, die erdet, weil sie mit der Natur verbindet, und das Mindset sowie die körperliche Fitness stärkt. Zudem habe sie Vorbildcharakter für Kinder, weil diese von klein auf erleben, wie aufwendig die Pflege des Wachsens und Werdens ist, und so eher lernen, Lebensmittel wertzuschätzen.
Quelle: 1www.pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/36467130/ , Sue Stuart-Smith: Vom Wachsen und Werden. Wie wir beim Gärtnern zu uns finden, Piper Verlag, Berlin 2022, ISBN 978-3-492-31385-8, Preis: 12 Euro, www.piper.de