Geheimnisvoller Wurmfortsatz


PD Dr. Jörn Maroske, Facharzt für Chirurgie und Viszeralchirurgie, über Blinddarmentzündungen

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©Klinikum Main-Spessart

„Die Krankheitserscheinungen sind vielfältig“, sagt Chefarzt Dr. Jörn Maroske. „Eine Blinddarmentzündung (Appendizitis) kann im ersten Moment daherkommen wie ein leichter, grippaler Infekt.“ Der klassisch beschriebene Verlauf, bei dem der Schmerz im Oberbauch beginne und dann in den rechten Unterbauch wandere, würden er und seine Kolleg:innen bei nicht einmal 50 Prozent der vorstelligen Fälle sehen. Der Ärztliche Direktor am Klinikum Main-Spessart in Lohr am Main empfiehlt, gerade die jüngeren und auch die älteren Patient:innen selbst eingehend zu befragen und sich nicht nur auf Schilderungen von Angehörigen zu verlassen. Die Antworten würden dem Arzt zufolge ganz unterschiedlich ausfallen. Doch sie helfen, die „Geheimnisse“ des entzündlichen Wurmfortsatzes am Blinddarmende zu entschlüsseln. Meistens würde von einem schleichenden Beginn berichtet, der mit Abgeschlagenheit, Unwohlsein oder Übelkeit, Druckgefühl, aber dann auch starken Schmerzen irgendwo im Bauchraum einherginge, so Dr. Maroske. Das müsse aber nicht so sein. Die Symptome in ihren unterschiedlichsten Ausprägungen könnten sich über Stunden, bei einigen Patient:innen sogar über Tage hinziehen. Der Schmerz wandere. Einige nähmen eine gekrümmte Haltung ein, um Spannung im Bauchraum aufzuheben. Bei einem sogenannten Durchbruch (Perforation) erleben die Patient:innen bisweilen auch ein „schmerzfreies Intervall“. Diese Ruhe ist jedoch trügerisch, denn jetzt gelangten nicht selten Eiter, Wundflüssigkeit und Bakterien in die Bauchhöhle. Das sei gefährlich. Doch welche Ursachen respektive Risikofaktoren liegen einer Blinddarmentzündung zugrunde? Bisher gibt es von Seiten der Wissenschaft keine eindeutigen Antworten. Doch Ammenmärchen, wie jenes vom verschluckten Kirschkern, kann Dr. Maroske getrost beiseiteschieben. Eine Blinddarmentzündung trete bei etwa sieben Prozent der Mädchen und Frauen und knapp neun Prozent der Jungen und Männer im Laufe des Lebens einfach auf. Betroffen seien vor allem Kinder ab dem schulpflichtigen Alter, dann die Gruppe der 20- bis 30-Jährigen sowie die der betagten Senior:innen. Und wie läuft die Diagnostik ab? 70 bis 80 Prozent seien Sicht-Diagnosen, da sich aus den Symptomen das Offensichtliche ableiten ließe. Gestützt würden diese durch Ultraschall. „Durch die hervorragende Auflösung erhalten wir hier eine Treffsicherheit von weit über 90 Prozent.“ Darüber hinaus werden verschiedene Laborwerte – unter anderem Entzündungswerte – herangezogen. Ist die Diagnose gesichert, wird meist binnen 24 Stunden operiert. Der Eingriff erfolgt in der Regel minimalinvasiv (Laparaskopie). In Lohr seien das über 90 Prozent. Offene Operationen hätten nur einen sehr geringen Anteil. Bei sehr kleinen Patient:innen gestalte sich das etwas anders. Allerdings würden alternative Ansätze, wie die Gabe von Antibiotika, das Problem nur vorübergehend lösen, so Dr. Maroske. „Die Operation ist ein Routineeingriff, der in den seltensten Fällen Komplikationen aufwirft, sodass dieser sehr zügig durchgeführt wird. Die meisten Patient:innen sind nach zwei bis drei Nächten wieder zuhause und dürfen sich nach wenigen Tagen normal bewegen.“ 

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