Gegrabenes Einhorn gegen Blutungen

Zum Tag der Apotheker am 26. Mai: 250 Jahre Apothekengeschichte im Privatmuseum Obertor-Apotheke in Marktheidenfeld

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Eric Martin zeigt ein altes Herbarium. Foto: Michaela Schneider

Wer erfahren will, weshalb Apotheker früher Pillendreher genannt wurden, ist im pharmaziehistorischen Privatmuseum Obertor-Apotheke in Marktheidenfeld richtig. Mehrere Punkte machen die Präsentation auf circa 120 Quadratmetern besonders: Erst einmal steckt darin viel persönliches Herzblut.

1939 hatte die Familie Martin die Apotheke, deren Betrieb bis ins Jahr 1750 nachgewiesen werden kann, gekauft. Museumsleiter Dr. Eric Martin, Apotheker in vierter Generation, betrieb sie bis ins Jahr 2012 selbst. Weiter stellt der 58-Jährige klare Ansprüche an den Museumsbetrieb. Er inventarisierte drei Jahre lang alle der mehr als 1.000 Objekte nach wissenschaftlichen Grundlagen.

Auch museumspädagogisch ist die Ausstellung durchdacht: Kurz vor Eröffnung im Oktober 2018 zog Martin eine externe Kuratorin hinzu. Betritt der Besucher das Museum, ist er mittendrin in einer Zeitreise. Die Einrichtung im einstigen Verkaufsraum stammt aus dem Jahr 1950. Eric Martins Großmutter hatte die Schreinerarbeit seinerzeit in Hammelburg in Auftrag gegeben. Der Museumsleiter ließ Glasscheiben einsetzen und zeigt nun, in den Vitrinenwänden hinter dem Tresen, unter anderem historische Stand- und Abgabegefäße wie etwa ein durchlöchertes Objekt, in dem seinerzeit Blutegel für den Aderlass aufbewahrt wurden.

Im Museum dürfen Besucher viele Dinge aktiv entdecken. Ein grüner Punkt verweist darauf: Öffnen ist ausdrücklich erlaubt. In Schubladen etwa warten „Teedrogen“ wie Linden- oder Kleeblüten. Auch das nötige Handwerkszeug kann begutachtet werden, inklusive dem namensgebenden Pillenbrett: Aus Pillenbrett, Wellholz, Abteiler und Rollierer fertigten Apotheker einst selbst Pillen, wie auch ein Film aus den 60er-Jahren zeigt.

Das schwere Holzmobiliar stammt aus der ehemaligen Burgapotheke in Rothenfels (1806 – 1975). Foto: Michaela Schneider

Im zweiten Raum, dem einstigen Büro des Apothekers, steht die Ausbildung im Fokus. Hier kann der Museumsbesucher eintauchen in die private Familiengeschichte. Als Eric Martins Großmutter 1928 ihr Studium abschloss, war sie eine von wenigen Frauen unter zahlreichen Männern. Heute sind rund 80 Prozent der Pharmazie-Studierenden weiblich. Als nächstes betritt der Museumsbesucher die Materialkammer. Neben dem schweren Holzmobiliar und einer Vitrine mit verschiedenen Rezepturgeräten sticht vor allem der große Arzneischatz ins Auge.

Die Texttafeln lassen wundern, manchmal auch schaudern oder schmunzeln. Mumienkörperteile, so meinte man, taugten als Wundmittel. Und sogar „gegrabenes Einhorn“ liegt in der Vitrine, dem fabelhafte Kräfte zugeschrieben wurden – eingesetzt bei Monatsfluss, Hämorrhoiden oder Nasenbluten, zur Stärkung von Herz und Leber, Vertreibung schwerer Not oder zur Tötung von Würmern. Das ausgestellte Objekt ist natürlich kein Einhorn, sondern wohl das Elfenbein eines Wollhaar-Mammuts.

Im vierten Raum schließlich ist das „Labor“ untergebracht mit Geräten zum Mikroskopieren, Erhitzen, Abkühlen, Sterilisieren, Messen und Trennen. Auch einen Chemikalienkasten aus der Studienzeit seines Vaters zeigt Eric Martin in einer Vitrine.

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