„Frühlingshormon“ ade?

Professor Dr. Martin Fassnacht über den Botenstoff Serotonin

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„In unserem klinischen Alltag kann ich mir aktuell keine Situation vorstellen, in der wir
eine Serotoninmessung im Blut brauchen“, sagt Professor Dr. Fassnacht. Die Konzentration
eines Hormons anschaulich erklärt: In einem Schwimmbad mit zwei Millionen Liter
Wasser entspricht Serotonin in unserem gesamten Körper einem Millitropfen. Foto: Professor Fassnacht © UKW

„Wohlfühlhormon“, „Glückshormon“ oder „Frühlingshormon“– die Bezeichnungen für Serotonin (5-Hydroxytryptamin) sind mannigfach. Ob sie die geweckten Hoffnungen erfüllen, scheint diskutabel.

Wie es zu solch blumigen Umschreibungen kommt, weiß Professor Dr. Martin Fassnacht, Endokrinologe an der Universitätsklinik Würzburg (UKW). „Das liegt zum Teil daran, weil man weiß, dass Serotonin als Botenstoff, im Gehirn, Einfluss auf die Stimmung hat“, sagt der Leiter des Bereichs Forschung des Zentrallabors. Er verweist auf den „großen Markt“ mit Serotonin-Wiederaufnahmehemmern, einer Klasse von „sehr erfolgreichen“ Antidepressiva, die das Serotonin- System beeinflussen und Depressionen sehr gut behandelbar machen.

Der Schluss ‚Das hat Einfluss auf die Stimmung‘ verleitet zur Suche nach kausalen Zusammenhängen – auch mit anderen Botenstoffen wie Dopamin oder Melatonin.“ Der Mediziner gesteht zwar zu, dass sich viele Menschen im Frühjahr besser fühlten, auch mit dem Schlafrhythmus gebe es eine „gewisse Interaktion“, ebenso wie mit sportlicher Aktivität. Er ist aber überzeugt: „So simpel ist es nicht. Man muss unterscheiden: Serotonin ist ein Neurotransmitter, ein Botenstoff, der zwischen den Hirnzellen vermittelt. Serotonin ist jedoch auch ein Gewebshormon.“

Von der antidepressiven Wirkung werde aber vor allem in seiner Funktion als Neurotransmitter gesprochen. Streng genommen erreiche das Serotonin im Blut, das etwa aus dem Magen-Darm-Trakt kommt, das Gehirn gar nicht, aufgrund der Blut-Hirn Schranke, die den unkontrollierten Übertritt von Blutbestandteilen oder im Blut gelösten Substanzen verhindert.

„Die Wirkweise des Neurotransmitters ist relativ gut belegt. Es ist bekannt, an welchen Hirn-Regionen und wie Serotonin wirkt“, sagt der Schwerpunktleiter Endokrinologie und Diabetologie am UKW. Nicht ganz so gut ist die Wirkung von Serotonin als Hormon im Blut verstanden. Hier wirkt es auf verschiedene Systeme wie Zentral- und Darmnervensystem oder Herz-Kreislauf-System – jedoch meist im Zusammenspiel mit anderen Hormonen.

Die einfache Argumentation: „Serotonin geht hoch, dann … Serotonin geht runter, dann …“ gelte nicht. Serotonin werde sehr „feinjustiert ausgeschüttet“: Es sei ein relativ kleines Molekül, ein Abkömmling der Aminosäure, das in darauf spezialisierten Zellen, die es an vielen Stellen im Körper gibt, gebildet werde und lokal wirke. Daneben gebe es die Bildung in den Gehirnzellen. Molekular handle es sich hier um die gleiche Substanz, jedoch mit anderem Wirkmechanismus.

In seinem Labor, das ansonsten alle wichtigen Hormone des Menschen bestimmt, werde der Serotoninspiegel nicht gemessen. Der Grund: Es gibt aktuell keine Erkrankungen, die erwiesenermaßen mit erhöhten oder erniedrigten Serotonin-Spiegeln im Blut einhergehen.

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