Erinnerungslücken füllen

Regisseurin Kim Hertinger, aufgewachsen in den Haßbergen, hat mit einem Kurzfilm über das Korsakow-Syndrom mehr als 30 Awards bei Festivals weltweit abgeräumt

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Foto: ©depositphotos.com/@patronestaff

Es gilt als spezielle Form der Amnesie, vor allem erkranken daran schwer alkoholkranke Menschen: Die Rede ist vom Korsakow-Syndrom. Intensiv damit auseinandergesetzt hat sich Regisseurin Kim Fabienne Hertinger im vielfach ausgezeichneten Kurzfilm „Meer bei Nacht.“ Während eines Praktikums im Werbefilmbereich, noch während Hertinger Psychologie in Würzburg studierte, hatte sie Kontakte in die hiesige Filmszene geknüpft. Gleichzeitig wurde im Studium, als es um Alzheimer und Demenz
ging, am Rande das Korsakow-Syndrom gestreift.

„Hängen blieb bei mir, was die Krankheit einzigartig macht: das Konfabulieren“, sagt Hertinger. Bei den Betroffenen kommt es häufig zu Erinnerungslücken, diese füllen sie mit meist frei erfundenen Inhalten auf. Filme wie die Psychothriller „Black Swan“ oder „Shutter Island“ inspirierten Kim Hertinger zusätzlich. Zudem las die Psychologiestudentin zu diesem Zeitpunkt einiges über Klaus Kinski, über seinen Alkoholkonsum und seine Beziehung zur Tochter.

Die Idee entstand, in einem Kurzfilm die wenig bekannte Krankheit bei einem Theaterschauspieler anzusiedeln. Ihr 26-minütiges Kurzfilmprojekt „Meer bei Nacht“, das übrigens komplett in Würzburg entstanden ist, war weltweit inzwischen auf über 50 Festivals zu sehen und hat mehr als 30 Awards abgeräumt. Kim Hertinger schrieb das Drehbuch, führte Regie, produzierte.

„Es freut mich, dass der Film auf der ganzen Welt verstanden wird und Menschen berührt. Bis in die Antarktis“, sagt die junge Frau, die im Landkreis Haßberge aufwuchs. „Meer bei Nacht“ handelt von einem einst gefeierten Theaterstar, der auf die Rückkehr auf die großen Bühnen des Landes hofft. Bei einer Premiere bricht er zusammen, erwacht im Krankenhaus und muss erkennen, dass ihm eine Krankheit Selbstbestimmung, Ansehen und sozialen Rückhalt genommen hat. Und er begegnet seiner Tochter. Dass Hertinger den Kurzfilm nach Fertigstellung bei rund 200 Festivals einreichte, ist ihre Art, sich beim Filmteam zu bedanken, denn Lohn konnte sie keinen zahlen.

Das Filmprojekt entstand auf rein ehrenamtlicher Grundlage. Im Februar 2018 erhielt „Meer bei Nacht“ in Indien einen ersten Preis für das beste Drehbuch. 30 weitere Awards sollten folgen. Ihr Psychologiestudium hat die junge Frau übrigens im März abgeschlossen. Schon zuvor, im Januar, hatte sie sich als Film- und Medienproduzentin in Würzburg selbstständig gemacht und erarbeitet Produkt- und Imagefilme. Mit den Werbeaufträgen sammle sie als Autodidaktin weitere Berufserfahrung. Und: Die Einnahmen will die Regisseurin nutzen, um neue künstlerische Projekte umzusetzen.

Ein weiteres Kurzfilmskript sei fertig, auf die Frage nach dem Inhalt lacht sie, sagt: „Ich bin wohl ein Dramatyp. Es geht um das Leben nach dem Tod.“ Zudem befindet sich die Filmemacherin aktuell in der Recherchephase für ein vielleicht abendfüllendes Projekt. Auseinandersetzen will sie sich dabei mit dem Thema Pädophilie.

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