Vor gut einem Jahr, Im März 2021, wurde der Streuobstanbau als Immaterielles Kulturerbe anerkannt. Der Fokus ist wichtig, denn die Streuobstwiesenbestände schrumpfen. „Dies liegt einerseits an einer Agrarpolitik, die Streuobstwiesen jahrzehntelang gerade im Vergleich zu Obstplantagen vernachlässigte, andererseits am Verbraucherverhalten und dem Wunsch vieler Menschen nach ‚makellosem‘, gleichförmigem Obst“, so das Magazin Biopress¹. Die Anerkennung der Unesco zeige, dass die Bedeutung von Streuobst in der Gesellschaft angekommen sei, kommentiert Krischan Cords, Geschäftsführer der Main-Streuobst-Bienen eG (MSB eG).
Heute seien die Streuobstwiesen meist überaltert und in einem miserablen Zustand. Die Bereitschaft der Besitzer:innen, das Kulturgut zu pflegen, sei oft sehr gering, und die Pacht oder ein Kauf der Fläche schwierig. Doch Erbe verpflichtet! „Das sieht nach einer großen gesellschaftlichen und politischen Aufgabe aus.“ Obendrein brauche es noch den Schritt in den Köpfen, bewusst zu Streuobstprodukten zu greifen, um die Bewirtschafter:innen der Biotope in ihrer Arbeit zu bestärken. Auf den stetig wachsenden Flächen der MSB eG und deren Mitglieder ist die Entwicklung erfreulich. Cords:. „Die oft alten Bäume erfahren Pflegeschnitte, um den Bestand zu verjüngen und über einen längeren Zeitraum zu sichern. Die Fruchtqualität nimmt dadurch zu. Zudem pflanzen wir viele junge Bäume, um die überalterten Bäume in Zukunft zu ersetzen.“ Die Sortenvielfalt im Streuobstanbau sei sehr hoch. „Es gibt allein über 100 Apfelsorten auf den Flächen der MSB eG.“, so Cords weiter. Je nach Verwendung, ob als Tafel-, Most- oder Verarbeitungsobst zum Backen, Trocknen oder Brennen, würden dutzende Sorten genutzt. Für sortenreine Säfte würden besonders charaktervolle Sorten verwendet.
Außergewöhnlich seien in dieser Saison der „Schöne von Wiltshire“ und „Berlepsch“ gewesen, die zum ersten Mal sortenrein gepresst wurden. Klassisch sei die Sorte „Jakob Fischer“ mit seinem lieblichen Duft und einem ausgewogenem Zucker-Säure-Verhältnis. „Wer es ‚wilder‘ wünscht, entscheidet sich oft für unsere Mischsäfte mit Quitte, Speierling oder Aronia“, verweist er auf außergewöhnliche Mixturen. Was Kunden zunehmend schätzen, ist Tafelobst alter Sorten. Die MSB eG trägt diesem Umstand Rechnung. Bereits Anfang April finden Veredelungskurse statt. Hier können diese Kunstfertigkeiten erlernt und die jungen Bäume gleich mitgenommen werden. Und es gibt noch mehr zu entdecken: „Wir werden mit neuen Produkten wie Zwetschgenfruchtaufstrich, sortenreinen Säften in der Schlegelflasche und einem duftenden Birnensaft die Geschmacksvielfalt von Streuobst zelebrieren. Und wir haben unsere Likör-Vielfalt stark erweitert.“
Quelle:
¹https://www.biopress.de/de/inhalte/details/8003/erster-tag-der-streuobstwiese.html